Kielbolzen

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fecma
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Kielbolzen

Beitrag von fecma » Do 14. Feb 2013, 20:51

Hallo liebe Freunde klassischer Yachten,

ich weiss, dass ein H-Boot, gezeichnet 1967, eigentlich noch nicht als klassische Yacht gilt. Verglichen mit den vielen jüngeren Yachten, die aussehen wie umgedrehte Bügeleisen, hat sie aber doch noch gefällige Linien. Ich wende mich aber an Euch, in der Hoffnung von Eurem grossen Erfahrungsschatz profitieren zu dürfen.
Bei meinem Hydrospeed H-Boot, Baujahr 1978, ist die Fuge zwischen Kunststoff und gusseisernem Kiel über weite Strecken undicht und nach dem Auswassern läuft da rostiges Wasser raus. Bisher ist entlang den Kielbolzen noch kein Wasser bis in die Kajüte vorgedrungen. Ist meine Befürchtung richtig, dass das Wasser bis an die Kielbolzen vorgedrungen sein könnte und dass diese auch rosten? Weiss jemand, ob beim Hydrospeed H-Boot rostfreie Bolzen verwendet wurden? Rostfreie würden vermutlich etwas langsamer zersetzt als solche aus nicht rostfreiem Stahl, aber in Gegenwart von Rostwasser vom Gusseisen her würde auch sog. rostfreies Material angegriffen. Besteht die Gefahr, dass die Kielbolzen durchrosten und der Kiel abbricht? Die Kielbolzen haben etwa 20 mm Durchmesser. Wie lange halten die vor dem Durchrosten? Besteht da überhaupt eine Gefahr oder brauche ich mir wegen den Kielbolzen keine Sorgen zu machen?
Lohnt sich in dieser Siutation eine Sanierung der stark von Osmose geschädigten Schale noch?

Danke im Voraus für kompetente Auskunft
André bauer
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Re: Kielbolzen

Beitrag von André bauer » Do 14. Feb 2013, 22:28

Hallo,
das Thema ist wesentlich komplexer, als man meinen möchte.
Ob Wasser bis zum Kielbolzen gekommen ist, kann man so niicht sagen.
Das merkt man erst, wenn man die Bolzen raus hat.
In 45 Jahren kann sicher viel passiert sein.
Letzendlich kann niemand mit den Informationen sagen, wie lange die Kielbolzen halten oder was auch immer.
Wieviel Rost die Bolzen angesetzt haben, hängt von den Materialien ab und wie lange schon Wasser dran kommt.
Wasser allein läßt Eisen nicht rosten, dazu gehört immer Sauerstoff, der im Wasser in Grenzen natürlich auch vorhanden ist, aber kaum was ausmacht.
Richtig rosten tuts erst, wenn viel Sauerstoff dazu kommt.
Das Einzige was hilft, ist Bolzen ziehen und mehrere Kostenvoranschläge über die Osmosereparatur machen lassen.
Erst bei 3 Angeboten hat man einen gewissen Überblick, was es denn kosten könnte.
Bolzen können auch mit Röntgengerät geprüft werden, aber der Kiel muß für Osmosereparatur wahrscheinlich eh runter, zumindest aber neu eingedichtet werden.

Ob sich das lohnt, darf man hier kaum jemand fragen, die Frage stellt sich den meisten hier kaum,
weil jeder eine Beziehung zum Boot aufbaut.
Das muss schon jeder selbst entscheiden, auch bei einem Kunststoffschiff.
Den Wert des Bootes müßte man kennen und Verhgleichswerte für gesunde Boote auch.

Es gab zum Thema schon viele Beiträge, auch zu Bolzen aus Edelstahl.
Bitte die Suchfunktion nutzen, in der Kopfzeile vom Antwortfeld z.B.

Gruß,
André Bauer
Gruß,
André

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fecma
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Re: Kielbolzen

Beitrag von fecma » Fr 15. Feb 2013, 16:32

Hallo André

besten Dank für Deine Antwort

Bolzen ziehen und nachsehen klärt die Situation wahrscheinlich. Aber wie zieht man einen Bolzen? Wie ist der beim Hydrospeed H-Boot im Kiel verankert? Gewinde ? oder eingegossen?
Von der Kajüte her gesehen steht der Bolzen gerade soweit über dem GFK, dass die Mutter darüber passt. Wie greife ich diesen Bolzen, wenn ich versuchen möchte, ihn auszudrehen?
Für eine zweite Mutter zum Kontern steht nicht über.

Betreffend Suchfunktion: Auf die Eingabe "Kielbolzen" im obenstehenden Feld kommen gerade unsere beiden Beiträge und seltsamerweise ein Beitrag zu Torquedo, aber nichts weiteres zu Kielbolzen. Gibt es noch einen anderen Begriff dafür?

Mit freundlichen Grüssen

fecma
segel-hein

Re: Kielbolzen

Beitrag von segel-hein » Fr 15. Feb 2013, 16:45

Hallo fecma,
du hast wahrscheinlich nur innerhalb der letzten 30 Tage gesucht, das ist nämlich die Standardangabe. Wenn du im Suche-Fenster bist, ändere die letzte Auswahlmöglichkeit in die Angabe "jeglichen Alters". Dann wirst du mit Sicherheit fündig...

Grüße aus Münster
Gerd
HansaLilly
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Re: Kielbolzen

Beitrag von HansaLilly » Sa 16. Feb 2013, 11:33

Moin fecma,

halte einfach oben einen Magnet an den Bolzen. Nichtrostende Bolzen sind nicht magnetisch.

Wenn es "VA" ist, wird zwar der Rost vom Kiel an den Bolzen "abfärben" aber sie nicht angreifen.

Meistens sind die Bolzen fest im Kiel verankert. Das bedeutet man löst die Muttern und hebt den Rumpf vom Kiel.

Aber das scheint mir nicht notwendig, zumal es in der Kajüt trocken ist.

Entferne einfach die elastische Fuge zwischen Kiel und Rumpf, entroste den Kiel im Fugenbereich, versiegele in wieder mit Epoxy-Primer und füll die Fuge mit elastische PU - Masse (die ist mit Antifouling überstreichbar) auf.

Damit solltest du dann erst mal Ruhe haben.

Meine verzinkten Kielbolzen 16 mm Durchmesser haben im Eichenholz 60 Jahre gehalten.


Bei der Osmose kann dir nur ein Fachmann nach Begutachtung Auskunft geben, wie weit
die Osmose fortgeschrittten ist und ob eine Sanierung lohnt.

Mit freundlichen Grüssen

Norbert
André bauer
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Re: Kielbolzen

Beitrag von André bauer » Sa 16. Feb 2013, 14:20

Moin,
die erste Aussage ist so nur richtig für neuen Edelstahl.
Edelstahl der länger in Umgebung von (Guss-) Eisen war, wird magnetisch.
Nicht umsonst haben Schlosser getrenntes Werkzeug für Stahl und Edelstahl und die Marine entmagnetisiert an Bord regelmäßig alle Gegenstände mit Eisenanteilen, also auch Edelstahl.
Auch die zweite Aussage, das Eisen Edelstahl nicht angreift ist damit hinfällig, weil allein Magnetfelder das Gefüge im Edelstahl verändern.
Dazu kommen Feuchtigkeit und Salz.

Wenn von oben im Schiff eine Mutter sichtbar ist wird der Bolzen von unten in den Ballast eingesteckt und vergossen sein.
Ich würde nach 45 Jahren schon mal nachsehen, wie die Bolzen aussehen.
Die Fuge öffnen und prüfen ob der Ballast ganzflächig mit dem Rumpf verklebt ist.
Meist wurde dafür in den 60ern Sika oder ähnliches verwendet, bei Holzbooten aber auch noch Bleiweiß.
Ist er verklebt mit einem langen Sägeblatt mit umwickelten Ende die Verklebung trennen,
unten am Ballast die Vergußstellen freistemmen und Muttern entfernen.
Die Muttern vorher längere Zeit regelmäßig mit Kriechöl besprühen um die Verbindung zum Bolzen lösen zu können.

Wenn der Kiel stark angerostet ist, was anzunehmen ist wenn die Versiegelung länger drin
war oder schon so alt ist wie das Boot, haftet die neue Versiegelung nicht.
Damit wär die ganze Arbeit für den Mors.
Der Ballast müßte sandgestrahlt werden, dann SOFORT mit dem ersten Anstrich versehen werden.
Flugrost bildet sich schon am ersten Tag wieder, also läßt man die Erstbeschichtung gleich bei der Sandstrahlfirma mitmachen.
Eigene Erfahrung...
Die Bolzen kann man ziehen, indem man von unten in den Bolzenkopf Bohrungen setzt und Gewinde schneidet.
Aber nicht zu tief bohren damit der Kopf nicht geschwächt wird.
Dann eine Gewindestange einschrauben, ein Rohr mit Deckel und Loch für die Stange versehen,
anpassen an die Kielkontur und die Mutter auf dem Deckel anziehen.

Sollte ein Bolzen so weit abgerostet sein, das nur noch sehr wenig Querschnitt steht und man schlägt von innen drauf, besteht die Gefahr, das sich die beiden Teile übereinander schieben und verkeilen.
Eine fast unlösbare Verbindung... also besser von unten ziehen.

Meine 70 Jahre alten Bolzen, die noch 10 Jahre an Land standen mit dem Boot waren soweit durch.
Es hängt eben alles von den Bedingungen ab, denen sie ausgesetzt waren.
Verallgemeinern kann schief gehen.

Dateianhänge
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Gruß,
André

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Re: Kielbolzen

Beitrag von HansaLilly » Sa 16. Feb 2013, 17:32

Sorry Andre´,

man kann nicht alles wissen und sollte sich vielleicht auch mal zurück halten.

Das Magnetfelder das Gefüge eines Stahles ändern ist ein starkes Stück !

Der "clean shop" , die strikte Trennung von schwarzen (rostenden Stahl) und weissem (Edeldstahl) beruht allein auf der Tatsache, das bei der Verarbeitung die, von mir schon in einem anderem Forumsbeitrag genannte, Oxidschicht angegriffen wird und dadurch die Rostbeständigkeit leidet.

Solange diese Oxidschicht intakt ist, wird der Edelstahl zumindest nicht von der Rostsauce des Gusskiels angegriffen.

Das die Marine ihre Schiffe entmagnetisiert hat wohl eher mit der Ortung zu tun, aber da halte ich mich zurück s.o.

Das der Rostschutzprimer nicht auf noch verbliebenen Restrost hält stimmt nicht, die Hersteller schreiben sogar, das nur loser Rost entfernt werden soll. Wichtig ist auch hier die
Schichtdicke, die ausreichend dick sein muss, damit der Sauerstoff fern gehalten wird und die Oxidation damit unterbunden ist.

Man muss nicht immer mit Kanonen auf Spatzen schiessen.

Noch viel Spass bei deiner Restaurierung.

Norbert






Bries

Re: Kielbolzen

Beitrag von Bries » Sa 16. Feb 2013, 19:11


Entmagnetsieren ( degaussing ) dafür das die minen das vorbei fahrende schiff nicht entdecken und ruhig weiter schlafen auf den meeres boden.
Das budget der marine würde sonst nicht reichen die boote in betrieb zu halten.

Clean shop, die herumfliegende stahl - eisen partikel fressen sich so ungefähr im VA stahl herein. Bei schleif -trenn arbeiten mit ein in stahl eisen schon verwendete scheibe ist totaler tabu die zu verwenden auf VA material.

Getrennte werkstätten ist voraussetzung für verarbeitung von VA und normal stahl.

m fr gr Georg Fongers.
André bauer
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Re: Kielbolzen

Beitrag von André bauer » Sa 16. Feb 2013, 21:15

Sorry Norbert:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ferromagnetismus

Dort wird eindeutig beschrieben, wie ferritische Werkstoffe magnetiesierbar sind.
Magnetisierung bedeutet die körperliche Gleichrichtung von Eisen, Nickel oder Kobaltpartikeln.
Wie würdest Du das denn nennen?

Austenitische Edelstähle gelten als nicht magnetisch.
Das die meisten Edelstähle austenitisch sind, bedeutet aber nicht, das sie amagnetisch sind.
Die Marine hat einen speziellen Edelstahl, der sonst nicht zu bekommen ist, eben aus dem Grund.

Und noch einer:

http://www.klimapartner-berlin.de/defau ... 297924.xml

Wenn Rost den Edelstahl nicht angreift, warum rostet denn Edelstahl, der mit Eisen in Berührung gekommen ist?
Das gilt nicht für Funkenflug der Flex sondern auch für Handbearbeitung, also kalte Späne.
Eisenpartikel suchen sich feinste Poren und verrichten von dort aus ihr zerstörisches Werk.
Nach einer Woche läßt sich der Rost vielleicht noch abwischen, abhängig vom Klima wie gesagt.
Die Partikel in den Poren bleiben.

Das eine saubere Oberfläche wesentlich besser für die Haftung ist, als eine unter der sich gleich wieder der Rost bildet, muß kaum erklärt werden denke ich.
Die Schweißnähte der Klüsen einer Superyacht, die 2 Jahre alt 100mm von der Spachtelkante unter Lack versteckt waren, sind so aufgeblüht, dass der Rost durch 20mm Epoxispachtel und Lack durchkam.
Um die Klüsen wird immer ein Edelstahlkragen von 100mm eingebracht, die Fuge wird sauberst versiegelt, die Schweißnaht zum Schiffbaustahl sauber passiviert.
Und wenn ich Fotos machen würde, wie mein Ballast nach 3 Jahren Hallenlagerung wieder aussieht, weil die Strahlfirma nicht sauber gearbeitet hat...

Jedes Sandstrahlunternehmen wird empfehlen, umgehend zu beschichten.
Es geht ja nicht um Optik für den Moment, sondern um Haltbarkeit für möglichst lange Zeit
und Wirtschaftlichkeit der Arbeiten.
Wenn ich nach 2 Jahren wieder alles aufmachen muß, ärger ich mir zumindest nen Wolf.

Man kann wirklich nicht alles wissen.
Und man sollte erstmal wissen welche Hintergrundbildung und Praxiserfahrung da ist...
Genauer hinsehen.

Das hier ist aber nicht der Platz eine wissenschaftliche Abhandlung anzufangen die gar
nicht so recht zum Thema gehört.

Auch noch viel Spaß,
André
Gruß,
André

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