Steigen des Großbaums

helmsman-2

Re: Steigen des Großbaums

Beitrag von helmsman-2 » Mi 4. Jul 2018, 13:33

Hallo DaMudaMe,

zu Deinen Fragen:

Ein Traveller wirkt nur effektiv in einem relativ engen Bereich, wenn der Baum sich annähernd in Mittschiffsebene befindet, also bei Amwindkursen.

Eine Verlängerung des Travellers vergrößert den Bereich, in dem der Traveller wirksam genutzt werden kann (manche Boote nutzen z.B. einen halbkreisförmigen Traveller, um die Wirkung über den gesamten Schwenkbereich des Großbaumes zu erhalten).

Auf Raumwindkursen ist der Traveller aufgrund des ungünstigen Angriffswinkels der Schot weniger wirksam (bis unwirksam) und der Baum kann deshalb steigen. Dies führt, gerade auf Raumwind oder Vorwindkursen, zu unerwünschtem, übermässigen Twist. Dieser wiederum verringert deutlich die Wirksamkeit des Segels und kann auch zu unerwünschten (gefährlichen) Rollbewegungen des Bootes führen.

Ein Niederholer verhindert sicher nicht so effektiv das Steigen des Baumes wie die dichtgenommene Großschot. Dafür ist der Niederholer im gesamten Schwenkbereich des Großbaumes wirksam.

Wann immer es möglich ist, würde ich einen Großbaumniederholer installieren. Auf ein Patentreff würde ich dagegen jederzeit verzichten zugunsten eines Bindereffs.

Viele Grüße
Klaus
André bauer
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Re: Steigen des Großbaums

Beitrag von André bauer » Mi 4. Jul 2018, 23:02

Moin,

ich bin immer dafür, die Boote möglichst original zu erhalten. Zumindest optisch.
Kein Oldtimer-Auto wird mit original Lacken lackiert und die Sitze werden auch modern gepolstert, aber niemand baut ein modernes Fahrwerk ein.

Gruß,
André
Gruß,
André

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André bauer
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Re: Steigen des Großbaums

Beitrag von André bauer » Mi 4. Jul 2018, 23:15

Ein Bindereff und die Dirk reduzieren auch die Wirksamkeit des Groß durch Verwirbelungen. Zudem belasten Reffkauschen das Segel punktuell, ein gerolltes Segel wird gleichmäßig über die Länge des Baumes beansprucht.
Ein Patentreff ist gefahrfreier, weil der Baum mich nich erwischen kann während das Boot im Wind gehalten wird.
Einziger Nachteil ist der fehlende Unterliekstrecker, der das Segel zu bauchig werden lässt.
Das kann aber mit Reffkauschen auch hinkriegen. Ob das Segel durch den zu großen Bauch belastet wird oder an der Reffkausche punktuell, ist dann Ermessensfrage.
Gruß,
André

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helmsman-2

Re: Steigen des Großbaums

Beitrag von helmsman-2 » Do 5. Jul 2018, 06:58

Hallo André,

ich muss mal wieder widersprechen. Vorteile des Bindereffs wurden schon hier diskutiert http://www.fky.org/forum-neu/read.php?5 ... 8#msg-8298
Besonders den Beitrag von Manfred Jacob möchte ich Dir ans Herz legen.
Als weiterer, nicht genannter Nachteil bei Rollreffeinrichtungen (Patentreff fällt da mit drunter), ist die Torsionswirkung des Grossegels auf den Großbaum zu nennen. Das Großsegel will sich durch den Schotzug wieder abrollen. So habe ich schon einmal die Verleimung des Großbaumes einer Jolle geknackt.
Dirk braucht man beim Bindereff nicht, habe ich auch nicht.

Klaus
André bauer
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Re: Steigen des Großbaums

Beitrag von André bauer » Do 5. Jul 2018, 18:19

Hallo Klaus,

das überzeugt mich nicht.
So ein Reffleinensystem schlackert auch bei 1 Bft in der Gegend rum.
Egal wieviel Wind, es erzeugt Wirbel und das über die ganze Höhe des Segels.

Eine wissenschaftliche Untersuchung dazu wäre interessant.
Rod wird eingesetzt um die Verwirbelung an den Wanten zu minimieren und das Topgewicht zu reduzieren, dünnerer Draht bei gleicher Festigkeit.
Die optimale Position der Crew diskutiert - liegend oder sitzend auf der Kante.

Nur am Segel sollen die Reffleinen ganz toll sein? Kann mir keiner verklufideln.
Reffbändsel sind da sicher besser, haben aber andere Nachteile wie Manfred aufgezählt hat.

Gruß,
André
Gruß,
André

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P899

Re: Steigen des Großbaums

Beitrag von P899 » Do 5. Jul 2018, 20:31

Also mein Großsegel steht als Bindereff wie eine "1". Habe ich schon in Regatten sehr gut mit gelegen. Die Bändsel müssen eben genau an der richtigen Stelle sitzen. Ich fahre auch mit Reff Unterliekstrecker und Cunningham, da bekomme ich auch mein mindestens 30 Jahre altes Groß sehr gut getrimmt.

Segeln ohne Baumniederholer kommt für mich gar nicht in Frage. Das ist mir Raumschots viel zu riskant. Da kommt man gerade bei etwas mehr Wind sehr schnell ins Geigen.

Bei mir ist es ein 15er, die Situation ist bei einem 20er aber aus meiner Sicht identisch, nur die Kräfte und die Probleme könnten noch etwas größer sein.

Habe leider kein perfektes Bild, aber ggf. gibt das angehängte ja einen Eindruck.

Aber letztlich soll es jeder so machen, wie er das will.

Viele Grüße

Michael
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helmsman-2

Re: Steigen des Großbaums

Beitrag von helmsman-2 » Do 5. Jul 2018, 21:31

Ich muss Michael zustimmen:
Mit dem Bindereff wird das Segel schön flach gezogen, was ja gerade bei mehr Wind wichtig ist. Mein Segel steht gerefft fast besser als ungerefft (es ist leider schon ein bisschen "ausgelatscht").

Warum soll das Reffleinensystem schlackern? Und effektiv stehen -wohlgemerkt im ungerefften Zustand - nur die Leinen bis zur Reffkausch im Achterliek im Wind. Kann man aber locker verkraften, da stehen noch ganz andere Leinen im Wind, wie z.B. das Spifall. Im Übrigen befindet sich die Reffleine achtern am Segel, da wird die Grenzschicht schon so dick sein, dass die Leine da voll drin liegt.
Fakt ist, dass das Bindereff dem Patentreff weit überlegen ist, sowohl was den Segelstand wie auch die Einfachheit der Bedienung betrifft. Heute wird meines Wissens auch kein Patentreff oder Rollreff mehr verbaut. Auf Oldtimern ist es wohl noch zu finden, dann aber aus nostalgischen Gründen und mit all den genannten Nachteilen.

Nun sind wir vom eigentlichen Thema dieses Threads ordentlich abgekommen. Es wäre eigentlich ein schöner eigener Thread gewesen: Patentreff / Rollreff vs. Bindereff

Klaus
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arthur
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Re: Steigen des Großbaums

Beitrag von arthur » Sa 7. Jul 2018, 10:30

ja da wird mir der Andre doch glatt sympathisch! die wichtigste Aussage seit langem von ihm!
DaMudaMe
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Re: Steigen des Großbaums

Beitrag von DaMudaMe » Sa 7. Jul 2018, 17:14

Hallo Diskussionsrunde,
sorry, dass ich mich erst jetzt wieder melde. Nach Microsoftupdate war die Bildschirmauflösung verrutsch und mit einfachen Bordmitteln nicht zu beheben.

Vorab eine grundsätzliche Frage: welche Arbeitslast (Zugkraft) muss im Niederholer (als Talje) aufgebracht werden?
Bei meinem Jolli beträgt der Abstand Lümmelbeschlag zum Deck 32cm. Setze ich den Niederholer am Baum bei einem 1/3 der Länge an, so erhalte ich einen Zugwinkel von ca. 13°. Bei einer angenommenen Zuglast von 100 kg, ergeben sich eine horizontale Last von 97kg, die auf den Lümmelbeschlag drückt und eine vertikale Last von 57kg, die den Baum nach unten zieht.
Werden der alte Beschlag, Baum, Mast diese zusätzliche Horizontallast überhaupt aufnehmen können?

Lösung a): Niederholer mit Schotringanschlag - wenn es denn funktioniert - und Rollreff (Anhang).
Keep it simple. Die Idee mit dem Schotring hab ich mir so gedacht: eine rückwärtige Leine hält den Ring auf Position und verhindert dessen Schrägziehen. Aber die o.g. Horizontallast muss dann voll vom Nockbeschlag aufgefangen und in den Baum, Lümmelbeschlag übertragen werden.
Weiter: die Vertikallast drückt an vier Auflagerstellen (Rollen) auf die Keep. Ob die das aushält? Sie ist in zusätzlich aufgesetzte Profile eingefräst. Dadurch ist die obere Hälfte des Profils dünnwandiger.
Befürchtung: bei Nichtgelingen ist der Baum hinüber.

Lösung b): Niederholer mit Schlüsselbeschlag und Rollreff
Horizontal- und Vertikallast werden über den Beschlag übertragen. Ggf. Lümmelbeschlag mit Schneckengetriebe überfordert, da für diese zusätzliche Last nicht ausgelegt. Aber: funktioniert bei Kollege.
Beim Reffen keine Funktion. D.h. freundlichem Auftrag beim Segelmacher für Reffkauschen und Bändsel.


Und jetzt? Vorab werde ich zuerst nach einem längeren Traveller Ausschau halten und nach Ergebnis weitersehen. So habe ich keine Bimbes in den See gesetzt.

Lieben Dank und Grüße
damudame
DaMudaMe
Beiträge: 4
Registriert: Di 17. Apr 2018, 11:13

Re: Steigen des Großbaums

Beitrag von DaMudaMe » Sa 7. Jul 2018, 17:25

Hallo Diskussionsrunde,
sorry, dass ich mich erst jetzt wieder melde. Nach Microsoftupdate war die Bildschirmauflösung verrutsch und mit einfachen Bordmitteln nicht zu beheben.

Vorab eine grundsätzliche Frage: welche Arbeitslast (Zugkraft) muss im Niederholer (als Talje) aufgebracht werden?
Bei meinem Jolli beträgt der Abstand Lümmelbeschlag zum Deck 32cm. Setze ich den Niederholer am Baum bei einem 1/3 der Länge an, so erhalte ich einen Zugwinkel von ca. 13°. Bei einer angenommenen Zuglast von 100 kg, ergeben sich eine horizontale Last von 97kg, die auf den Lümmelbeschlag drückt und eine vertikale Last von 57kg, die den Baum nach unten zieht.
Werden der alte Beschlag, Baum, Mast diese zusätzliche Horizontallast überhaupt aufnehmen können?

Lösung a): Niederholer mit Schotringanschlag - wenn es denn funktioniert - und Rollreff (Anhang).
Keep it simple. Die Idee mit dem Schotring hab ich mir so gedacht: eine rückwärtige Leine hält den Ring auf Position und verhindert dessen Schrägziehen. Aber die o.g. Horizontallast muss dann voll vom Nockbeschlag aufgefangen und in den Baum, Lümmelbeschlag übertragen werden.
Weiter: die Vertikallast drückt an vier Auflagerstellen (Rollen) auf die Keep. Ob die das aushält? Sie ist in zusätzlich aufgesetzte Profile eingefräst. Dadurch ist die obere Hälfte des Profils dünnwandiger.
Befürchtung: bei Nichtgelingen ist der Baum hinüber.

Lösung b): Niederholer mit Schlüsselbeschlag und Rollreff
Horizontal- und Vertikallast werden über den Beschlag übertragen. Ggf. Lümmelbeschlag mit Schneckengetriebe überfordert, da für diese zusätzliche Last nicht ausgelegt. Aber: funktioniert bei Kollege
Beim Reffen keine Funktion. D.h. freundlicher Auftrag beim Segelmacher für Reffkauschen und Bändsel.

Weiter: werde jetzt mal nach einem längeren Traveller Ausschau halten und nach Ergebnis weitersehen. So habe ich nicht allzuviele Bimbes in den See gesetzt.

Lieben Dank und Grüße
damudame
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