Trocknungsrisse im Holzkiel

Günther Meyer

Re: Trocknungsrisse im Holzkiel

Beitrag von Günther Meyer » Di 24. Sep 2002, 15:21

Liebe Freunde der Holzboote,

sollte ich mit meinen Äußerungen hinsichtlich "haarstreubende Tipps" einige Holzbootsbesitzer neugierig gemacht haben,
soll will ich jetzt meine ausführliche Begründung liefern, um den Begriff zu relativieren.
Vorab möchte ich aber klarstellen, daß der von mir gewählte Begriff vielleicht etwas unglücklich war.
Ich hatte aber ausdrücklich meine Telefonnummer angegeben, weil ich der Meinung bin, daß so ein
komplexes Thema, mit dem notwendigen fachlichen Hintergrundwissen, nicht in ein paar Zeilen
abgehandelt werden kann.

Grundsatzgedanken zum Thema:
Holz ist ein hygroskopischer Werkstoff, d.h. er paßt sich immer der umgebenden Luftfeuchtigkeit an.
Der Fasersättigungspunkt ( wenn das freie Wasser aus den Zellen raus ist = dann erst fängt die Formveränderung an )
liegt bei Eiche bei bei 22...25 %, darrtrocken sind es 5..6 %.
Jeder Kiel, der sich unter Wasser befindet und vor allen Dingen mit der im Bootsinneren hohen Luftfeuchtigkeit
( keine Lüftung, nasse Kleidung... ) konfrontiert wird, hat im Mittel 18...20 %.
Kommt jetzt das Schiff an Land, alle Luken werden aufgerissen, Bodenbretter sind hochgenommen,
alle feuchten Gegenstände kommen aus dem Schiff, kann auch im Winter sehr trockene Luft an den Kiel kommen.
Erfolg: Das Holz paßt sich an, die Holzfeuchtigkeit sinkt, das Holz schwindet, schwinden heißt reißen.
Eiche z.B. schwindet/quillt bei einer Holzfeuchtigkeitsänderung um
1 % tangential ( Richtung Jahresringe ) 0.32 % / radial ( Richtung Markstahlen ) um 0.19 %
Ergebnis:
1. Im Wasser hat der Kiel sagen wir einmal 18 %, die nach einigen Wochen an Land auf 12...13 % runtergehen.
2. 5 % Feuchtigkeitsänderung x 0.32% ( Beispiel angenommen liegenden Jahresringe ) = Volumenänderung von 1.3 %
3. Kielbreite angenommen 200 mmm = 3.2 mm Voumenänderung.
Jeder kann sich vorstellen, was passiert........

Jetzt zurm Problem des Herrn Michael Düpper:
Es handelt sich bei den aufgetretenen Rissen nicht um den eingebauten Kiel ( der soll ja erneuert werden ) sondern
um eine 100 mm dicke Bohle die an Land liegt und bis jetzt noch kein Wasser gesehen hat.
Merke:
Sollte es sich bei den Rissen um solche im Kiel bzw. im Totholz handeln, wäre ein so belassen das einzig richtige.
Da ist die gemachte Aussage der beiden Bootsbauer ist absolut richtig.
Bitte hierzu die gemachten Äußerungen des Herrn op de Hipt lesen.
Ich kann aber den Vorschlag, die Bohle einfach ins Wasser zu werfen absolut nicht nachvollziehen.
Was passiert:
die Bohle quillt.
Der Riß schließt sich. Wunderbar, dann wieder aus dem Wasser heraus, bearbeiten, auftrennen, einbauen,
.....oh Wunder, der Riß ist in alter Pracht wieder da.
Auch hier wieder die theoretischen Gedankengänge, daß diese Bohle irgenwann nach dem Einschneiden ihre 25 % hatte
und jetzt vielleicht auf 14...15 % runtergetrocknet ist. Ist dann ein Riß eigentlich nicht verwunderlich.
Die zu trockende Masse an Holz ist einfach zu groß !!!
In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich auf die nach meiner ersten Antwort gemachten Ausführungen des Herrn Enno Thyn eingehen,
der die Frage der Holzqualität anspricht, ein richtiger Gedanke, der bis dato von keinem anderen ins Spiel gebracht wurde !!.
Seinen Ausführungen kann ich nichts hinzufügen - die theoretischen Grundlagen habe ich oben ausführlich erklärt.....!

Div. Vorschläge:
Natürlich kann man die Bohlen ( Vorschlag des Herrn Sauerwald ) auftrennen und als Schichtholz verleimen.Aber bitte darauf achten, daß
dann :
.....die Bretter stehende Jahresringe haben, sonst reißt nach dem Verleimen neben der Fuge das Holz
.....die erkennbaren Risse rausgeschnitten werden, was bei einer 100 mm Bohle mit einem dementsprechenden Gewicht
eigentlich theoretisch ist oder zu großem Holzverlust führt.
Außerdem sollte man wissen, das die Holzfeuchtigkeit im Innerern der dicken Bohle immer höher liegt als in den Randschichten.
(Früher rechnete man pro 1 cm Trocknung des Holzes 1 Jahr = 10 Jahre...)
Der Erfolg wäre dann, nach dem Schneiden krumme Bretter zu bekommen, die man nur wieder sehr schwierig weiterverarbeiten kann.

Mein Vorschlag:
Kaufen Sie sich gut abgelagerte zöllige Eiche ( 26mmm dick ) mit stehenden Jahresringen.
Sehen Sie sich die Bretter vom Hirnholz ( Ende ) an . Achten Sie darauf, daß Sie auf der Fläche, wie in der INFO des Herrn Thyn so treffend
bezeichnete Spiegel ( weißlichgelbe Querstreifen, die flammig verlaufen ) sehen. Dann ist das Holz o.K.
Hobeln Sie dann das Holza auf 22 / 23 mm aus. Verleimen Sie dann das ganze Paket - aber bitte gleich so, daß Sie das Paket über einem
speziellen Modell verleimen, welches der Form des Kielsprunges entspricht. Bauen aus Abfallspanplatten, die gibt es beim Tischler.
Nach Abbinden des Leimes ( geht mit Epoxy aber bitte Leimfläche vorher mit 80er Excenterschleifer aufrauhen und zusätzlich mit
Oberflächenreiniger - von Epoxyanbieter - abreiben, wegen der Gerbsäuere. )
Nach dem Verleimen, von Breite hobeln, Kielform ausstraken und Sponung anarbeiten. Siehe hierzu auch Björn Peter Berens, Verlag D. u. K.
"Pflege von Holzbooten" Seite 83 ff.
Sie haben jetzt ein Bauteil, bei dem die Eigenkräfte des Holzes zwar nicht verschwunden - aber auf ein erträgliches Maß reduziert worden sind.
Bitte beachten Sie, daß Sie sehr viel Zeit und Kraft in die Herstellung des Kieles stekcen. Unter dem Aspekt das die Lohnkosten
von Ihnen aufgenommen werden, sparen Sie nicht am Material !!

Was haben Sie jetz erreicht:
1. Das Arbeiten des Holzes wird gebunden
2. Die Stabilität des verleimten Holzpaketes ist höher als ein massives Stückl
3. Durch das Lamellieren des Kieles ist der Kielsprung schon vorhanden.

Schlußbetrachtung:
Hoffentlich habe ich Sie mit meinen theoretischen Ausführungen nicht zu sehr gelangweilt.
Ich habe nur versucht zu erklären und Ihnen Hintergrund zu geben.
Sollte sich irgend jemand durch meine Bezeichnung...".haarstreubend " angegriffen fühlen, nehme ich den Begriff mit Bedauern zurück.
Er wäre einfach zu schade hier in unserem Forum des FKY Verbalschlachten auszuführen. Dazu ist unser Hoby einfach zu schön.
Vielleicht kenne ich aber auch zuviele Holzbooteigner, die mit einem riesigen Enthusiasmus, aber ohne Vorkenntnisse an elementare Probleme
ihrer Schiffe gehen und verzweifeln.

Ich freue mich über jeden Anruf

Gruß
Günther Meyer
Michael Friedrich

Re: Trocknungsrisse im Holzkiel

Beitrag von Michael Friedrich » Di 1. Okt 2002, 16:52

Lieber Günther Meyer.

Dankeschön für Ihr sehr aufschlußreiches Posting, schon wieder etwas dazugelernt, auch wenn ich selbst des öfteren (und gerne) im "Berens" blättere.

Ich meine auch, daß sich hier keiner angegriffen fühlte. Ihr entschiedener oder auch leidenschaftlicher Einwurf "teilweise haarsträubende Anworten" hat uns einfach mächtig neugierig gemacht (man macht ja zuweilen doch
etwas falsch).

Auch haben Sie völlig Recht, man muß natürlich zwischen einem fertigen und eingebauten Teil und einem Wekrstück differenzieren. Mein Hinweis hatte sich natürlich "nur" auf das eingebaute Totholz bzw. Kiel bezogen. Aber es sind natürlich zwei paar Stiefel. Nochmals Dank für Ihre Erläuterungen.

Mit frohem Gruß und guten Wünschen für eine famose Restsaison
Michael Friedrich
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