Bleikiel giessen

helmsman-2

Bleikiel giessen

Beitrag von helmsman-2 » So 3. Dez 2017, 12:26

An meinem 22er Schärenkreuzer ist derzeit, wie in den Zeichnungen vorgesehen, ein Kiel aus Eisen (ca. 650 kg). Der Kiel geht aber ca. 20 cm tiefer, als es die Bauzeichnungen angegeben. Das ist vermutlich mal in früheren Jahren geändert worden, möglicherweise um die Stabilität des Bootes zu erhöhen.

Langfristig möchte ich das Boot wieder auf den ursprünglich vorgesehenen Tiefgang zurückrüsten, auch weil der große Tiefgang den Zugang zu manchem Hafen erschwert und das Boot relativ hoch auf dem Trailer steht.

Um nicht an Stabilität zu verlieren und weil man Blei selber einfacher verarbeiten kann, soll der Kiel aus Blei werden. Zusätzlich hat Blei die schöne Eigenschaft, nicht zu rosten.

Nun bin ich am Überlegen, wie man den Kiel am einfachsten giessen kann. Das Schmelzen des Bleis ist ein Punkt, den ich später noch gesondert diskutieren möchte. Zunächst einmal geht es um den Formenbau.

Üblicherweise baut man einen Kern (aus Holz oder Schaumstoff ), von dem eine Sandform abgeformt wird. Diese Möglichkeiten habe ich allerdings nicht.

Ich habe nun den Gedanken, direkt eine Negativform aus Holz (Fichtenholz) zu bauen. Frage wäre, ob es möglich ist, das Blei direkt in solch eine Holzform zu giessen. Die Form muss natürlich stabil genug sein, dem Gewicht und dem Flüssigkeitsdruck des Bleis standzuhalten.

Frage wäre aber, ob das Holz während der Zeitdauer des Abkühl- und Erstarrungsvorgangs nicht zu sehr verbrennt. Ein bisschen ankokeln oder schwarz werden wäre egal, da die Form sowieso nur einmal verwendet wird (wenn der Guss gleich gelingt). Die Oberfläche des Kiels müsste nach dem Entformen sowieso noch nachgearbeitet werden, Kanten verrundet und gebrochen werden.

Ich habe schon einige Barren aus Blei gegossen und mit Holzstäben in der Schmelze gerührt, das hat dem Holz soweit nichts ausgemacht. Aber ein ganzer Kiel braucht ja ein paar Stunden, bis er einigermassen abgekühlt ist. Hat jemand Erfahrung mit dem Giessen auf solche Art?

Bitte keine Vermutungen und Hypothesen, sondern Fakten.

Viele Grüße

Klaus
Martin Lamprecht
Beiträge: 25
Registriert: Mi 13. Jul 2011, 20:37

Re: Bleikiel giessen

Beitrag von Martin Lamprecht » So 3. Dez 2017, 17:00

Moin Klaus,

ich habe mal bei einem Propellerhersteller gearbeitet,
der damals noch selbst gegossen hat.
Dort wurden die Schmelztiegel vor dem Bestücken mit
Metallbarren mit Zeitungspapier ausgelegt.
Nach dem Guß war das Zeitungspapier zwar sehr mürbe und
bräunlich verfärbt, aber nicht verbrannt und manchmal
sogar noch lesbar.
Obwohl einige Stunden von flüssiger Propellerbronze bedeckt.
Das liegt daran, daß es eben keinen Zutritt von Sauerstoff
gegeben hat.

Die Idee mit einer hölzernen Gußform für einen Ballastkiel
halte ich dennoch für nicht praktikabel.

Willst Du mit einer oben offenen Form gießen? Dann hast
Du anschließend eine gewaltige Fläche nachzuarbeiten,
bis es an den Rumpf passt. Kann auch sein, daß es Probleme
durch zu schnelles und ungleichmäßiges Abkühlen gibt.

Oder eine richtige, geschlossene Form mit Angußöffnung
und Steigern?
Damit wird die Oberseite des Gußstückes natürlich besser,
aber die hydrostatischen Drücke größer. (Und Du mußt die
obere Formhälfte gegen Aufschwimmen sichern.)

Abgesehen von den auftretenden Drücken sehe ich bei
Fichtenholz als Material der Form aber noch weitere
Probleme.
Erstens könnte ein Teil der Form in Brand geraten, bevor
die Form ganz mit Blei gefüllt ist. Bei oben offener Form
auch danach noch am oberen Rand. Also überall dort, wo
noch Umgebungsluft hinkommt.
Die Entzündungstemperatur von Fichtenholz ist etwa 280°C.
Die Schmelztemperatur von Blei ist 327,5°C, aber die Schmelze
beim Guß muß natürlich heißer sein.

Auch enthalten die Zellen des Holzes mehr Luft als ein plattes
Stück Zeitungspapier.

Außerdem enthält das Holz noch Wasser und andere Stoffe, die
beim Gießen ausgasen. Damit bekommst Du Wasserdampf und
andere Gase in die erstarrende Schmelze. Das kann dazu führen,
daß einzelne Bereiche des Gußstückes wie ein Schwamm mit
Blasen durchsetzt sind, was dann für die Festigkeit nichts
Gutes bedeutet.

Dazu kommt, daß beim Schmelzen / Gießen von Blei auch
gewisse gesundheitliche Gefahren durch Dämpfe drohen.

Natürlich kenne ich Deine technischen Möglichkeiten zum Gießen
nicht. Aber ich würde dringend empfehlen, mit einer Gießerei
Kontakt aufzunehmen, um den eigendlichen Guß dort machen zu lassen.

Die beiden größten Kostenpunkte bei Sandguß sind die
Modellherstellung und das Material.

Bei mancher Gießerei ist es möglich (oder sogar gern gesehen),
wenn der Kunde sein eigenes Gußmodell bereitstellt.
Wenn Du also Dein eigenes Modell tischlerst, dann ist ein
wesentlicher Kostenpunkt schon einmal erledigt.
Und Du kannst das Holzmodell schon gut an Deinen Rumpf
anpassen.

So ein Ballastkiel für einen Schärenkreuzer hat ja eine relativ
einfache Form ohne Hinterschnitte und verjüngt sich nach unten.
Damit ist das Modell nach dem Bau der Form gut zu entnehmen.
Der Formenbau geht also einfach und schnell und darum auch billig.
Für Angußöffnung und Steiger gibt es vorgefertigte Teile, die
nur eingesetzt werden müssen.

Wenn Du außerdem zeitlich flexibel bist, kann so ein Teil
in der laufenden Produktion irgendwann mal "dazwischen geschoben"
oder mit einem anderen Bleiguß kombiniert werden. D.h. die Kosten
für den Guß dürften sich in Grenzen halten.

Bei einem professionell ausgeführten Sandguß sollte man an der
Oberfläche nur wenig nacharbeiten müssen.
Auch das sollte in eine Betrachtung der Wirtschaftlichkeit
eingehen. Blei ist nämlich nur sehr eklig zu bearbeiten, weil
es "schmiert".

Schöne Grüße,
Martin

André bauer
Beiträge: 2357
Registriert: Di 12. Sep 2006, 18:26

Re: Bleikiel giessen

Beitrag von André bauer » So 3. Dez 2017, 18:55

Moin,

habe schon von Holzgussformen gehört, Martins Argumente leuchten aber ein.
Was ganz sicher nicht funktionieren würde, ist die Gussform ans Schiff anzupassen und den Schrumpf zu vernachlässigen.
Gerade bei Blei ist der Schrumpf zu berücksichtigen.
Das ist mir in Erinnerung geblieben von einem Projekt.

Grüße,
Andrė
Gruß,
André

V98 Seebrise
www.bauer-naval-design.de
www.v98-seebrise.de (noch nicht umgezogen)
helmsman-2

Re: Bleikiel giessen

Beitrag von helmsman-2 » So 3. Dez 2017, 20:31

Hallo Martin und André,

giessen lassen ist schon eine Option, aber zunächst mal möchte ich die Möglichkeiten des Selbergiessens ausloten. Dashalb auch diese Anfrage.

Die Argumente von Martin sind gut und richtig. Ich werde sie auf jeden Fall im Auge behalten.
Vielen Dank. Und klar, Schrumpf ist auch ein Thema, das kann man ja schon beim Giessen von Barren beobachten. Ich werde vielleicht mal Versuchsgüsse in einer Holzform mit kleineren Mengen machen.

Trotzdem, weitere Tipps sind herzlich willkommen.
Frage wäre zum Beispiel auch, wie man die Bohrungen und die Mutterntaschen für die Kielbolzen schon in der Form berücksichtigt. Nachträglich Bohren (von Hand) scheint mir sehr schwierig (eben wegen der von Martin erwähnten Zähigkeit des Bleis).

Viele Grüße
Klaus
danebrog

Re: Bleikiel giessen

Beitrag von danebrog » Mo 4. Dez 2017, 00:29

Von einem, der es wissen muss:
Curt W. Eichler, Holzbootsbau - und der Bau von stählernen Booten und Yachten. 3. Aufl., HEEL Verlag Königswinter, 2010. S. 336 ff.

Und vielleicht ringst Du Dir auch mal ein "Danke" ab. -_-

Lothar

Re: Bleikiel giessen

Beitrag von Lothar » Mo 4. Dez 2017, 13:56

Hallo Klaus,

einfach mal nach Brix und Bleikiel gießen googeln. Mit etwas Glück kommst Du da bei einem Auschnitt aus dem Brix "paktischer Schiffbau" raus. Auf Seite 120 ff ist das Verfahren mit Holzform beschrieben.

Das geht wirklich. Auf irgendeiner Facebookseite eines schwedischen Bootsbauers habe ich das mal als Video gesehen. Kann mich aber leider nicht mehr erinnern, wo.

Grüße aus Norddeutschland

Lothar
helmsman-2

Re: Bleikiel giessen

Beitrag von helmsman-2 » Mo 4. Dez 2017, 20:13

Danke Dagmar :)

Und den anderen natürlich auch.
Gute Hinweise.
Beide Bücher habe ich. Hätte ich natürlich auch selber drauf kommen können. Aber gemeinsam macht es doch mehr Spass. Und es freut mich, dass es anscheinend so geht, wie ich es mir vorgestellt habe. Und die Lösung für die Kielbolzen - Holzstäbe in der Form installieren, wo die Bolzen mal hinkommen - habe ich auch gefunden (Brix).

Viele Grüße
Klaus
danebrog

Re: Bleikiel giessen

Beitrag von danebrog » Mo 4. Dez 2017, 22:02

Hallo Klaus

Den Brix hatte ich sowieso wg. Eigenbedarf in der Hand. Und wenn man von den Projekten der Anderen weiß, kann man sich ja hemmungslos mit Fakten einbringen. ;-)

Grüße
Dagmar
Martin Lamprecht
Beiträge: 25
Registriert: Mi 13. Jul 2011, 20:37

Re: Bleikiel giessen

Beitrag von Martin Lamprecht » Mo 4. Dez 2017, 23:17

Moin,

vielleicht war mein Satz mit dem in Brand geraten der Gußform
etwas übertrieben.... Möglicherweise hat man früher auch
gewisse Beschädigungen der Form einfach in Kauf genommen.
Laut Brix verkohlen z.B. die Holzstäbe für die Kielbolzen.

Die beiden genannte Bücher habe ich auch - und natürlich
ebenfalls erst einmal nicht zu Rate gezogen.
Immerhin schlägt Brix "Whitepineholz" mit geringem Harzgehalt vor,
wohl um Entzündung oder übermäßigem Ausgasen vorzubeugen.

Bei Eichler besteht die Gußform aus einer aus Brettern
hergestellten Kiste. Damit ist das für einen Schärenkreuzer-Kiel
nicht brauchbar.
Eichler schreibt ja selbst:
"Das Anfertigen der Gußform - also des Trogs, in den hineingegossen
wird - kann durch die Wahl eines rechteckigen Querschnittes mit
unten abgerundeten Ecken vereinfacht werden. Daran sollte der
Konstrukteur denken."

Es ist zu hoffen, daß der Konstrukteur Deines Schärenkreuzers
andere Prioritäten hatte und mehr Wert auf die
Segeleigenschaften gelegt hat. Dann ergibt sich der Bleiballast
als Teil eines Tragflügels; mit vernünftiger Profilierung
und sauber strakender Eintrittskante.
So eine Freiformfläche ist nur mit Brettern nicht darstellbar.

http://aw-marine.com/wp-content/gallery ... c06212.jpg

Bei Herrn Brix wird eine solche Freiformfläche in den massiven
Klotz jeweils einer Formhälfte eingearbeitet.
Das ist aber deutlich arbeitsaufwändiger als ein Positivmodell
das Kiels herzustellen und dieses dann abzuformen.

Auch bin ich mir nicht sicher, ob die beschriebene Arbeitsweise
beim Guß mit heutigen Vorschriften kompatibel ist. Die Bücher
sind ja schon etwas älter...

Schöne Grüße,
Martin
potemkin

Re: Bleikiel giessen

Beitrag von potemkin » Di 5. Dez 2017, 06:48

was hältste denn von der idee den kiel aus ps-schaum zu modellieren und dann in lehm / ton einzupacken. der lehm muss dann so z. b. mit holzbrettern stabilisiert werden, dass das paket beim guss nicht auseinanderbrechen kann. der schaum schmilzt / brennt weg.
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