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Stahlyacht--Materialstärke--

Verfasst: Mi 28. Jan 2009, 12:04
von mikep
...hallo zusammen,

ich beabsichtige eine Stahlsegelyacht zu kaufen, Größe ist etwa 9m x 3m x 1,55m. Der jetzige Besitzer gibt die Materialstärke des Rumpfes mit 3mm und die der Aufbauten mit 2,5mm an. Sind diese Stärken einem Boot der genannten Größe angemessen oder müsste es dicker sein?

Gruß Mike

Re: Stahlyacht--Materialstärke--

Verfasst: Mi 28. Jan 2009, 12:48
von André bauer
Moin Mike,
das kann schon hinhauen mit 3mm.
Die Fragen, die dabei auftauchen, sind:
Wie alt ist das Boot? Sind Beulen durch Seeschlag zu sehen?
Beulen entstehen auch beim Schweißen durch die einseitige Wärmezufuhr.
Die können aber gerichtet werden und man sieht normalerweise von außen die beiden Kanten der Spanten, Schotten oder Längsstringer.
Sind die Kanten nicht zu sehen und die Beule unregelmäßig, würd ich die Beule als Seeschlagschaden einordnen.
Wenn das Schiff gespachtelt ist, sieht man natürlich nichts.
Spachtel ist aber kein negativer Punkt, weil man die Schweißbeulen nicht völlig wegbekommt.
Wer eine hochglänzende, straakende Fläche haben will, muß spachteln.

Andere Punkte sind der Spantabstand und Knickspant- oder Rundspantbauweise.
Knickspantbauweise macht die Plattenfelder in sich weicher, stabilisiert aber das Boot global, weil die Plattenfelder nur in eine Richtung verformt sind.
Bei Rundspantbauweise sind die Platten in zwei Richtungen verformt, was ihnen eine gewisse Vorspannung gibt.
Wenn aber der Unterschied zwischen beiden Bauweisen schon über Seeschlagschäden entscheiden würde, wäre die Außenhaut unterdimensioniert.

Letztendlich entscheidet der Spantabstand und damit die mittragende Plattenbreite über die Festigkeit und Beulfreiheit.
Unsere 60m Formate werden aus Blechen zwischen 8 und 5mm gebaut, bei einem Spantabstand von 650mm.
Vaters selbstgebautes 9m Motorboot war auch aus 5mm, Spantabstand war sowas bei 500mm.

Wer hat das Boot gebaut, Werft oder Eigenbau?
Wo wurde es gesegelt? Nord / Ostsee oder Binnensee?
Wenn das Boot schon 30 Jahre alt ist, würd ich mir nur Gedanken machen, wegen der Abrostung und einen ausführlichen Klopftest machen.

Gruß,
André

Re: Stahlyacht--Materialstärke--

Verfasst: Di 15. Sep 2009, 12:47
von seebaer150
Hallo Mike,

Andre hat bei seinen Ausführungen vergessen zu erwähnen, dass auch bei Knickspantern sphärisch verkrümmte Formen Anwendung finden.

Im "Reinke Yachtbau" kann man nachlesen, welche Verfahren zur Verhinderung von Beulen beim Schweissen ergriffen werden und welche Effekte erzielt werden können. Beulen entstehen immer dann, wenn Material punktuell erhitzt wird und sich dehnt. Werden diese Längenänderungen im verflüssigten Bereich kompensiert, bleiben sie beim Abkühlen bestehen und verformen die Geometrie. Nun würde eine Erhitzung eines großflächigen Bereiches des Rumpfes vor dem Schweissen für Abhilfe schaffen. Aber das ist aus Kostengründen und aus ökologischen Gründen nicht zu vertreten.

Will man die Konstruktion auf Dimensionierung prüfen, sind zwei Hauptlastfälle zur Beurteilung heranzuziehen.

Balken auf zwei Stützen und Balken auf einer Stütze. Hier wird gemäß Binnen- oder Seelloyd unterschiedliche Spannung in der Bordwand festgesetzt.

Dem ersten Fall entspricht das Laufen des Schiffes auf Bug und Hecksee, wobei der Rumpf in der Mitte durchhängt.

Im zweiten Fall schwimmt das Schiff in der Mitte auf einer großen Welle, sodaß es vorne und hinten in der Luft hängt.

Die Kräfte, die in einem 60 Meter-Format, wie es Andre baut, unter diesen Lastfällen entstehen, sind nachvollziehbar gigantisch und werden mit Materialstärken zwischen 5 und 8 Millimetern pariert. Hier spielt natürlich das Widerstandsmoment eine große Rolle. Es geht in der dritten Potenz der Rumpfhöhe in die Rechnung ein.

Yachten kleinen Ausmaßes würden dünner geplankt genausowenig durchbrechen, wie Autos, vereinfacht ausgedrückt. Nur ist jedem klar, dass eine Welle gegen den Kotflügel schwuppsdiwupp eine Riesenbeule verursachen würde. Deshalb bezieht sich die Mindestdimensionierung auf die Beulfestigkeit. Fender beim Anlegen verursachen zusätzlichen Druck auf die Bordwand.

Abwägungssache.

Wenn Dein Schiff bis jetzt nicht auseinandergebrochen ist und der von Andre zu Recht erwähnte Rost zu keiner Materialverdünnung geführt hat, brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen.

Da kleine Yachten eher weniger als Große oder Seeschiffe von Durchbiegungsermüdungen betroffen sind, weil sie steifer sind, sollte Ermüdung auch eher weniger von Bedeutung sein.

Nun hab ich hier ergänzend Aspekte angesprochen, die Andre noch nicht erwähnt hatte. Deshalb wäre eine verifizierende Stellungnahme vor dem Hintergrund, den er im Luxusyachtbau hat, wünschenswert.

seebaer150
Kurt Joachim Maass