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von seebaer150 » Mo 11. Mai 2009, 14:02
Hallo Andre,
ich glaube, Du treibst dem Dieter die Schweissperlen auf die Stirn.
Ich bin jedoch der Ansicht, dass Du den Fahrtwiderstand nicht so eindeutig mit vorlicher oder achterlicher Lastverteilung koppeln kannst.
Fakt ist, dass der Fahrtwiderstand abhängig ist von der Fahrtgeschwindigkeit, der Dichte des Mediums, in dem gefahren wird, dem Cw-Wert des Rumpfes und der Projektionsfläche des unter Wasser liegenden Teils des Rumpfes von vorne, die linear in die Berechnung eingeht.
Und diese Projektionsfläche lässt sich in Abhängigkeit des Trimmwinkels und in Kenntnis des Spantrisses ganz leicht geometrisch bestimmen. Und daraus ergibt sich eben NICHT zwangsläufig eine Fahrtwiderstandssteigerung, wenn das Schiff nach vorne vertrimmt ist.
Es wird hingegen überdeutlich, in welch gravierender Weise sich der Fahrtwiderstand vergrößert, wenn das Schiff überhaupt vertrimmt. Man nehme einfach mal ein Brett von 10 cm Breite, zwei cm Dicke und einem halben Meter länge. ( Die Maße sind willkürlich gewählt )
Liegt dieses Brett jetzt vollstänig im Wasser, ergibt sich eine Projektionsfläche von 20 Quadratzentimeter, die linear in die Widerstandermittlung eingeht. Wenn jetzt der Rumpf ( das Brett ) in Fahrt, oder durch vorsätzlich erzeugte Vertrimmung aus der Optimallage, nur um 2.24 Grad vertrimmt wird, VERDOPPELT sich schon der Fahrtwiderstand ( doppelte Leistung erforderlich, um gleiche Geschwindigkeit zu erreichen / doppelter Verbrauch).
Vertrimmung ist also gewaltig mit Vorsicht zu genießen. Übrigens geht eben diese Projektionsfläche bei einem voll in Gleitfahrt befindlichen Boot gegen null, weil es eben NICHT mehr IM, sondern AUF dem Wasser fährt. Wirksam wird dann zunehmend Reibung und Luftwiderstand.
In diesem Zusammenhang muss mal klar herausgestellt werden, dass wirklich keine Yachtwerft auf der Welt, die Boote für Normalverbraucher herstellen, über einen Ingenieurstab verfügt oder verfügt haben, der die Optimallage berechnet haben könnte. Das hätte niemand bezahlen können. Boote wurden von Bootsbauern nach Gefühl gebaut und wenn sie schief im Wasser lagen, wurde das Folgemodell eben ein bisschen verändert. So einfach war das. Deshalb könnte Dieter´s Adler nun durchaus geringeren, aber auch größeren Fahrtwiderstand haben.
Wer ein Schiff wünscht, mit dem er maximal günstig fahren kann, sollte eine Maximalgeschwindigkeit für Langfahrt ermitteln, bei der das Boot gerade nicht beginnt zu vertrimmen, also vertikale dynamische Kräfte wirken, die ja durch den Motor aufgebracht werden müssen und nicht zum Vortrieb genutzt werden.
Dann sollten ein paar hundert Kilogramm Ballast an Bord langsam vom Bug zum Heck verlagert werden.
( Das kann auch der Freundeskreis sein, der als Ballast mitfährt. Der Ballast muss so groß sein, dass eine deutliche Vertrimmung (2 Grad) jeweils nach vorne oder hinten erzeugt werden kann )
Dann wird auf stehendem Gewässer auf ausreichend langer Strecke mit der Stoppuhr die Geschwindigkeit gemessen. Die Drehzahl des Motors ist dabei elektronisch kalibriert einzustellen, denn der Drehzahlmesser ist zu ungenau. Die geringen Unterschiede in der Fahrtgeschwindigkeit bei den unterschiedlichen Belastungsfällen würden durch schon leicht unterschiedliche Drehzahlen des Propellers mehr als ausgeglichen und würden das Bild verfälschen. Wind spielt auch eine Rolle. Deshalb ist die Strecke immer hin und her zu stoppen. Irgendwann hat man dann den optimalen Trimmwinkel für verbrauchsarme Fahrt in Abhängigkeit einer gewünschten Reisegeschwindigkeit. Fünf bis besser noch 10 km Strecke ergeben realistische Werte. Und: Niemand sollte die Güte der Glätte des Unterwasserschiffes vernachlässigen.
Dann schreibst Du von einem Trimmwinkel für Seebedingungen. Jeder kennt den Effekt, dass Boote bei langsamer Fahrt jeder Welle hinterherschaukeln. Das tun sie auch bei sehr schneller Fahrt. ( Rennboot im Hochgeschwindigkeitsgrenzbereich, den aber keine Yacht erreicht)
Das liegt daran, dass sich die Fahrzeuge einem indifferenten Gleichgewichtszustand annähern. Das ist einer von Dreien. Eine Walze auf ebener Fläche ist im indifferenten Gleichgewicht. Man kann sie anschieben und sie bleibt irgendwo liegen. Ein Bleistift auf der Spitze stehend, ist im labilen Gleichgewicht. Er fällt ganz leicht um. Ein Pendel in einer Uhr ist im stabilen Gleichgewicht. Er findet immer wieder den Tiefsten definierten Punkt.
Jetzt muss man sich die Frage stellen, wann das Boot im Gleichgewicht ist. Nämlich dann, wenn alle wirkenden Kräfte sich ausgleichen.
Aber das ist doch immer so !!! ( Außer wenn es gerade untergeht; dann sind die abtreibenden Kräfte größer als die Auftriebskräfte )
Warum fährt aber jetzt ein stark vertrimmtes Boot im Seegang deutlich stabiler als ein langsam Fahrendes?
Es liegt vereinfacht ausgedrückt an der, wie soll man sagen, quasi inneren Spannungskonstellation, die die Kräfte darstellen, die am Boot wirken, wobei der Begriff Spannung = Kraft / Flächeneinheit hier zweckentfremdet ist. Mann kann sich aber als Laie eher etwas darunter vorstellen. Das Boot ist quasi von gewaltigen Kräften "eingespannt".
Aber woher kommen diese gewaltigen Kräfte????
Dazu folgende Betrachtung: Wenn Antriebkräfte so groß wären, wie die Gewichtskräfte des Bootes, dann könnte das Boot wie ein Sportwagen beschleunigen. Das tut es nicht. Folglich sind die Antriebskräfte zum Bootsgewicht vergleichsweise gering.
Trotzdem schaffen es manche Motorisierungen, ein Boot aus dem Wasser zu heben. Jetzt ist der Punkt gekommen, an dem man ein Boot betrachten sollte, das ganz zart in den Gurten eines Krans hängt. Es ist also auch minimal hochgehoben ( wie ein stark vertrimmtes Boot im Übergang zur Halbgleitfahrt ). Dafür ist eine exakt definierte Kraft erforderlich in Abhängigkeit der Hubhöhe.
Jetzt kommt der Kasus Knactus der Betrachtung: Kleine Wellen, die das Schiff im schwimmenden Zustand schaukeln ließen, versetzen es jetzt nicht mehr in Bewegung. Daraus folgt weiter: Je höher es hängt, also je mehr Krankraft ( vertikale, nicht zum Vortrieb benutze Kraft ) aufgewendet wurde, oder je mehr Motorleistung das Boot höher aus dem Wasser gehoben hat, desto weniger reagiert es auf eine Welle definierter Höhe. Wir haben also vertikal wirkende Kräfte am Schiff, die durch Motoren erzeugt werden und vertikal wirkende Kraftkomponenten von Wellen. Wenn das Boot langsam, unvertrimmt, also ohne Vertikalkraftkomponenten unterwegs ist, wirken NUR die Wellenvertikalkraftkomponenten ohne Ausgleich, was das Schiff ganz leicht schaukeln lässt. Ist jetzt eine größere Yacht mit 16 Metern mit 25 Knoten in Gleitfahrt unterwegs, wirken gewaltige Vertikalkraftkomponenten, die viel größer sind als die der kleinen Wellen auf dem Rhein zum Beispiel. Effekt: Die Yacht geht unbeeindruckt durch die Wellen wie durch Butter und produziert einen enormen Gischtschleier durch das zur Seite geworfene Spritzwasser. Hier spielt zusätzlich zu den Vertikalkräften sogar der Stoß eine Rolle. ( Kleines Auto kollidiert mit großem Auto )
Auch ist der Begriff Potential = Masse mal Erdbeschleunigung mal Hubhöhe bei analytischen Betrachtungen von Bedeutung und Anderes. Aber das würde zu weit führen und verwirren. Außerdem sind solche Betrachtungen geeignet, Gegenstand von wissenschaftlichen Arbeiten zu sein. Ich will damit sagen, dass hier mannigfaltig Wechselwirkungen eintreten, die so nicht einfach zu durchschauen sind. Aber das Kranbeispiel zeigt so ein bisschen, wo der Hund begraben liegt und ist einleuchtend.
Aber es gibt gravierendere Überlegungen bezüglich Dieter´s Umbau. Hat mal jemand den Stabilitätsumfang des Schiffes nachgerechtet? Je nach Rumpfform stellen die eingebauten Motoren einen entscheidenden Beitrag zur Lagestabilität des Schiffes dar. Wo eine Adler mit zwei schweren Sechszylindern nachweislich bombensicher im Querseegang liegt, könnte eine Adler mit nur einem kleinen Motor, ich drücke es mal vorsichtig aus, weniger sicher im Querseegang liegen. Hier könnte man Rollperioden messen und Krängungstests machen zur Grundlagenberechnung. Oder man könnte, falls man dem Zahnriemenantrieb vertrauen will, Tanks zur Reichweitensteigerung im Maschinenraum zur Kompensierung des Mindergewichtes einbauen. Die würden dann zwar irgendwann auch mal entleert, was allerdings nur ein zeitlich begrenztes Risiko darstellen würde. Und im worst case-Fall wären die Tanks mit Seewasser befüllbar.
Alles in allem ist aber wohl klar geworden, dass gängige Null Acht Fünfzehn – Formeln die Dinge oft gefährlich verzerren und mit Vorsicht zu geniessen sind.
Lieber Gruß von
Seebaer150