Sollte "Ostseejolle" ein Holzpirat sein?

nils
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Re: Sollte "Ostseejolle" ein Holzpirat sein?

Beitrag von nils » Mo 12. Jul 2010, 08:13

Von Epoxy als Beschichtung für einen geplankten Rumpf kann ich nur abraten. Wir hatten gerade das Vergnügen, eine professionell aufgebrachte Epoxyschicht von einem Unterwasserschiff abzuschleifen. An Bodenwrangen und Steven, wo Feuchtigkeit steht, haben die Planken bereits angefangen zu gammeln. Das hat zwar etwa 10 Jahre gedauert, wir sind aber überzeugt, noch ein paar Jahre länger und die Planken wären hinüber gewesen.
Die Abschleifgeschwindigkeit habe ich mit ca 3,5 h pro qm gemessen. Warum also an einem alten Boot teure, moderne Mittel einsetzen, wenn sie langfristig das Holz schädigen und den Wert des Boots deutlich verringern?
André bauer
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Re: Sollte "Ostseejolle" ein Holzpirat sein?

Beitrag von André bauer » Mo 12. Jul 2010, 09:27

Moin,
Epoxy als Beschichtung ist grundsätzlich nicht schlecht. Allerdings sollte das Boot auch innen keine Stellen haben, wo es Feuchtigkeit ziehen und gammeln kann. Und die Beschichtung darf keinen Schaden haben, weil das Wasser sonst eindringen, aber nicht ausdiffundieren kann.
Außerdem liegt es meist immer noch am Eigner und dessen Pflegeaufwand für das Boot, wenn innen dauerhaft Wasser steht, hält auch Epoxy das nicht auf.
Man kann mit Epoxy bzw. Gfk viel kaputt machen, wenn man falsch verarbeitet oder das Boot danach falsch behandelt, es gibt aber auch ebenso viele Beispiele wo es gut funktioniert oder wo es herkömmlichen Mitteln genauso schief geht.

Die Abschleifgeschwindigkeit von 3,5h/qm führe ich mal auf falsche Maschinen bzw. zu hohe Drehzahl zurück. Wenns warm wird, schmiert es und es geht nicht mehr.
Mit einem vernünftigen Exzenter (Festool z.B.) oder einem Bandschleifer (Vorsicht, schleift ganz schnell Löcher ins Holz) und dem richtigen Papier geht das ganz fix.

Ich bin mir auch unsicher, ob Epoxy das Richtige für ein Holzboot ist.
Auf der einen Seite hat man wesentlich längere Lackierintervalle mit 2K-Lacken, (unabhängig vom Epoxy), aber es darf eben auch keine Macke in den Lack kommen, wo das Holz ernsthaft Wasser ziehen könnte.

Zu Carstens Frage:
Im Boot wird kein Antifouling sein, ist es eine matte rot-orange Farbe, ist es ziemlich wahrscheinlich Bleimennige. Vorsicht, beim Abziehen/-schleifen, hoch giftig.
Und Du hast recht, vor einer Beschichtung mit Epoxy muß das Holz knochentrocken sein.
Also wenn erkennbar Nässe im Holz ist, abziehen, trocknen lassen.
Wenn mit herkömmlichen Lacken gearbeitet wird, nur nasse Stellen abziehen.
Ansonsten komplett und richtig lange durchtrocknen lassen.
Wenn innen geölt wird, muß die Persenning sehr gut und dicht, aber gut belüftet sein.
Für ein offenes Boot würde ich daher, wenn mit Epoxy gearbeitet wird, auch innen damit arbeiten.

Gruß,
André
Gruß,
André

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nils
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Re: Sollte "Ostseejolle" ein Holzpirat sein?

Beitrag von nils » Mo 12. Jul 2010, 10:19

Moin André,

gerade von innen ist es doch schwierig, mit Epoxy alles dauerhaft wasser- und dampfdicht zu versiegeln. Bei der kleinsten Bewegung bricht die harte Beschichtung auf und das Wasser dringt ein. Wenn Epoxy nur funktioniert, wenn man das Boot absolut trocken hält, kann man es meiner Ansicht nach gleich vergessen. Dies gilt nicht für steife Sperrholz- oder Kunststoffboote, wo Epoxy absolut Sinn macht.

Abschleifen geht natürlich schneller, je mehr frische Schleifteller man einsetzt. Wir sind relativ sparsam und schonend vorgegangen, es sollte ja nicht zuviel Holz ab und danach auch glatt sein. Wir haben 50 Festoblätter 60er Brilliant verbraucht. Das Resultat mit einem Bandschleifer mag ich mir nicht vorstellen.

Viele Grüße

Nils



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Re: Sollte "Ostseejolle" ein Holzpirat sein?

Beitrag von acksel » Mo 12. Jul 2010, 11:56

Hm.
Wundert mich ein wenig. Selbst Larsson ist der Ansicht, das Epoxy derzeit das beste Klebe/ Beschichtungssystem ist. Wenn´s dann sein muss oder soll.
Bei mir wurde auch sehr sorgfältig ausgeleistet und beschichtet. Der Rumpf wurde dadurch extrem steif. Allerdings hatte ich Zweifel, ob innen das Holz "Natur" bleiben kann, soll, muss.
Ich erkundigte mich bei CTmat, dort riet man mir von einer Innenbeschichtung ab, wenn ich keinen Torfkahn wollte. Mein Boot ist aber innen absolut trocken, da steht kein Wasser in der Bilge oder sonstwo. Alle gammeligen Teile wurden aber auch vor dem Beschichten sorgfältig ausgetauscht, da ist null Rott in keiner ecke, in die ich bisher gekrochen bin, es riecht auch nichts.
Der Rumpf ist innen jetzt ganz normal lackiert und gut.
Falls irgendwann mal was sein sollte, ist das Boot nicht so wertvoll, dass ich tausende reinstecken würde, aber da ist jeder anders.
Grüsse von der Elbe!
Axel

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Re: Sollte "Ostseejolle" ein Holzpirat sein?

Beitrag von nils » Mo 12. Jul 2010, 12:35

Hallo Axel,

vielleicht darf ich etwas ausholen. Seit einigen Jahren baue ich Rennboote in Carbon Epoxy Wabe und habe mir ein Holzboot gekauft, weil ich ein historisch interessantes und schön segelndes Boot wollte, mit langer Lebensdauer und Werterhalt.
Ich habe gesehen, wie herkömmlich gut gepflegte Schiffe nach 60 bis 100 Jahren aussehen und ein epoxybeschichtetes 10 Jahre nach der Beschichtung. Wenn ein Boot historisch wertvoll ist, sollte man dann nicht aufpassen, es nicht zu versauen?

Schon klar, hier gehts ja um eine Ostseejolle, aber es kann ja sein, dass ein Unentschiedener dies liest und dann auf sein schönes Boot kein Epoxy streicht, dann lebt es länger.

Viele Grüße

Nils
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Re: Sollte "Ostseejolle" ein Holzpirat sein?

Beitrag von acksel » Mo 12. Jul 2010, 13:28

Nun,
das kann man so oder so sehen, sicher hast Du in der Verarbeitung von Epoxyden mehr Ahnung als viele andere, mich eingeschlossen.
Holz ist ja nun auch nicht so ganz ohne, man kann viel verkehrt machen, und das wird auch vielfach gemacht, denn es gibt genügend Beispiele, wie verrottet Holzboote sein können, offenbar reichte der "normale" Pflegeaufwand nicht mehr aus...
Mein Boot ist gerade 50 Jahre alt, und wurde beschichtet, weil es nicht mehr dichtquellen wollte und ständig innen alles nass war. Wieweit die Vorbesitzer mit dem Reparaturaufwand nicht mehr nachgekommen sind, und dann eine Radikalkur nötig wurde, weil eben vieles Rott war und ausgetauscht werden musste, weiss ich nicht, ich persönlich halte nach wie vor Epoxy für ein sehr gutes Material für Holz (meins ist Mahagoni auf Eiche), wenn es richtig angewendet wird. Dazu gehören richtige Holzfeuchte und richtige Temperatur und eben auch der vorherige Austausch aller rotten Teile.
Offenbar bestehen aber auch (hier) unterschiedliche Ansichten darüber, was man nun innen macht, Öl, Epoxy, G4. Ich habe einen Ganz normalen 1k(Holz-) Fensterlack genommen, das halte ich für völlig ausreichend, aber das ist meine persönliche Ansicht, ich habe zwar ein hübsches Boot, halte es aber angesichts von Rasmussen- oder Oertz- oder Tiller- Yachten für historisch nicht ganz so wertvoll, das wäre so vermessen, als wenn ich auf ein Oldtimertreffen mit einem Golf1 komme. Sicher auch alt, aber eben nicht wirklich klassisch.
Sicher bewundere ich die wunderschönen Holzbauten, die besser als das Original daherkommen, aber das würde meine Möglichkeiten deutlich sprengen....
Grüsse von der Elbe!
Axel

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Re: Sollte "Ostseejolle" ein Holzpirat sein?

Beitrag von Rauschi » Mi 14. Jul 2010, 00:17

Hallo Axel und André,

zunächst mal vielen Dank für die interessante (und dabei freundliche) Debatte ( mit gekonnt eingestreuten Handwerker- Ehre- Spitzen, herrlich). Da lacht mein Zimmermannsherz! Nachdem ich die tiefe Kränkung - "Schon klar, hier gehts ja um eine Ostseejolle..." - verdaut habe ;-) (Blümchen für Nils) bleiben mir immer noch Fragen.

Erstens an Axel: Unser Boot war seit 20 Jahren nicht im Wasser und stand mit einer guten belüfteten Persenning unter einer schattigen Eiche. Mein Gefühl sagt mir, das das Holz extrem trocken ist. Es riecht nicht und bis her habe ich keinen Torf gefunden. Ist das nicht die optimale Vorraussetzung für Epoxi. Allerdings, um es Innen auch mit Epoxi zu behandeln müssten wir noch extrem viel extrem sorgfältig abziehen und schleifen.

Zweitens Allgemein: Wenn das rötliche Zeug Bleimenninge ist, Was sollten wir denn dann für Masken tragen. Was wäre eine gute Bezugsquelle dafür?
Daran anschließend: Wie entsorge ich das abgezogene Zeug richtig? Mein grünes Gewissen verbietet mir es in die schwarze Tonne zu stecken.

Drittens an Nils: Ich finde den gedanken auch gut, dem Holz eine Materialgerechte Behandlung zukommen zu lassen, die nicht einen Kunststoff -Holz- Hybrid entstehen lässt. Aber was schlägst Du dann Innen und Aussen vor? Ich habe auch von ewig alten Schiffen in skandinavien gehört, die immer mit einer MIschung aus Leinöl, Holzteer und Balsam Terpentin aussen und innen nur mit Leinöl behandelt werden. Die gute Persenning mit Belüftung ist bei uns gegeben.
Da das Boot aber so extrem trocken ist, was machen wir dann mit den Fugen? Wenn wir die ausleisten und es dann diffusionsoffen einlassen, sprengts uns dann nicht die Spannten?

Grüße aus der Hauptstadt,
Carsten

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Re: Sollte "Ostseejolle" ein Holzpirat sein?

Beitrag von acksel » Mi 14. Jul 2010, 02:04

Ja und Nein,
(vorab, ich bin nur Handwerksmeister) was ich bisher gelesen habe über epoxy&co war immer: möglichst trockenes Holz. Verständlich, denn Fäulnis findet nur oberhalb15% statt. Sagt auch Larsson.
Mein Boot ist aussenrum epoxiert worden und pupstrocken.
Ich glaube, da scheiden sich ein wenig die Geister, wenn in der Verbindung irgendwas nichtb stimmt, sprengt es die Verbände, deswegen soll auch das Holz nicht mehr arbeiten dürfen, keine Feuchtigkeit aufnehmen können/dürfen.
Bei mir wurde ausgeleistet und beschichtet, die Schotten anlaminiert, es knarzt definitiv nichts, der Rumpf ist glatt und dicht.
Es sind überall Lüfter eingebaut, die permanent arbeiten, sodass sich eigentlich keine Feuchtigkeit sammeln kann. Der Gedanke, dass es uns die Verbände sprengt, ist ja nicht von der Hand zu weisen, allerdings würde dies voraussetzen, dass gesundes Holz mehr quellen kann, als vorgesehen, oder: selbst Börresen ist hergegangen und hat Holzplanken weit runtergetrocknet, damit er fugenlose Rümpfe erhält,wenn wieder normale Feuchtigkeit herrscht, also auch da Spannung auf dem Rumpf. AUf meinem Rumpf ist seit einigen Jahren epoxy drauf uns scheint in diesem Fall zu funktionieren.
Allerdings bin ich auch der Ansicht, angesichts der vielen Schäden, die an Holzbooten auftreten können und auch hier immer wieder angefragt werden, dass Epoxy derzeit eins der besten Materialien ist, wie auch Larsson feststellt. Trotz aller traditionellen Konservierungsmaterialien gibt es auch hier keine allein seligmachenden Mittel, denn sonst würde Holz nicht rotten. Es gibt nur ein früher oder später, irgendwann scheint immer ein umfangreiches Refit anzustehen. Oft geht dies mit ausleisten einher, meist genauso oft mit beschichten.
Ich weiss es nicht. Was willst Du machen, wenn die Kiste nicht dichtquillt und der Kahn ständig Wasser macht?
André schwört offenbar auf G4, die Zeit wird es zeigen, wir hatten einen Thread, von mir angeregt, wieviel Refit nun sein darf, weil ich mir mit meiner Epoxykiste schon fast bescheuert vorkam, aber welche Alternativen hat man denn?
Ich kann das nicht wirklich beantworten, aber wenn derzeit etliche one-offs mit Holz/Epoxy gebaut werden, kann das so verkehrt nicht sein.
Aber das ist meine persönliche Ansicht, der eine hat eine Ostseejolle, ich einen Ostseekreuzer, ob das nun historisch wertvoll ist oder nicht, mag jeder für sich selbst entscheiden, ich jedenfalls kann an meiner Beschichtungbnichts mehr ändern, würde es auf Grund der Vorgeschichte auch nicht tun.
Grüsse von der Elbe!
Axel

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Re: Sollte "Ostseejolle" ein Holzpirat sein?

Beitrag von André bauer » Mi 14. Jul 2010, 09:11

Moin,
das so viele Einzelbauten in Epoxy gebaut werden, liegt nicht nur an Eigenschaften von Epoxy, sondern auch daran, das man damit so schnell und günstig bauen kann.
Denn nicht das Material kostet eine Werft das Geld, sondern die Arbeitszeit.
Ich bin vorsichtig, die Ansichten von professionellen Bootsbauern auf Hobbybastler zu übertragen, da sind ganz andere Maßstäbe gefordert.
Aber es stimmt, oft hat man kaum Alternativen, es sei denn, man macht eine Großbaustelle auf.
Die Generallösung gibts nach wie vor nicht.

Gruß,
André
Gruß,
André

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Re: Sollte "Ostseejolle" ein Holzpirat sein?

Beitrag von Rauschi » Mo 19. Jul 2010, 21:07

Hallo zusammen,

ich habe das Datenblatt von Bleimennige
www.wolf-heiztechnik.de/dms/.../Sicherh ... ennige.pdf
im Netz gefunden und in Sachen Sicherheitsausrüstung nachgelegt, um uns das Zeug beim Abziehen und Schleifen vom Leib zu halten. Allerdings ist das bei 35° in der Werft echt so eine Sache! Ich habe ca. vier Kilo abgenommen!

Wir haben jetzt zusätzlich einen Blog angefangen, um die Restaurierung nicht zu letzt für uns komplett zu dokumentieren. Trotzdem halte ich Euch hier weiter auf dem Laufenden und habe bestimmt noch viele Fragen. In diesem Forum bekommt man eben auch gute Tips von guten Leuten. In anderen Foren habe ich da auch sc hon andere Erfahrungen gemacht. Vielen Dank an dieser Stelle an den FKY und die vielen Leser und Schreiber hier!
Ihr findet uns unter http://knickspant.wordpress.com/?ref=spelling

Was den Rumpf angeht haben wir uns jetzt ziemlich festgelegt.
1. Aussen: zu Ende abziehen und schleifen,
2. Fugen Ausleisten (welches Holz? Ich vermute inzwischen, dass der Rumpf eher aus Gabun als aus Mahagoni ist, weil er so hell gelblich weiss ist)
2. komplett mit dünnem Epoxi einlassen (braucht man dann vorher noch eine imprägnierung?)
3. kein Gewebe
4. mit 1k oder 2k Lack mit UV Schutz 7-10 mal lackieren.
5. dann Innen abziehen und mit Leinöl einlassen bis es tropft.

Neue Fotos auch unter: http://www.flickr.com/photos/pamcarsten ... 243542984/
Vielen Dank für Eure immer wieder hilfreichen Tips.

Grüße aus der Hauptstadt,
Carsten




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