Spax im Bootsbau: Pfusch oder nicht

helmsman-2

Spax im Bootsbau: Pfusch oder nicht

Beitrag von helmsman-2 » Di 19. Jul 2011, 20:23

Ich wollte die Fachleute hier mal fragen, ob sich Schrauben, insbesondere Spax aus Edelstahl, im Bootsbau inzwischen etabliert haben und nicht als Pfusch oder minderwertig gelten, oder ob sie doch wesentliche Nachteile gegenüber Kupfernieten haben.

Ich denke nicht an die Verbindung der Planken an den Spanten, da scheint mir die nutzbare Verschraubunglänge im Spant zu kurz, aber ich muss z.B einen Balkweger neu befestigen. Da geht der Niet, bzw. dann die Schraube durch die Planke, durch den Spant und hätte dann im Balkweger genug Fleisch für eine solide Verschraubung.
Wenn man das Loch durch Planke und Spant nur mit dem Schaftdurchmesser des Spax bohrt (bzw. etwas kleiner) und der Spax unter dem Kopf ein Stück Schaft ohne Gewinde hat, so dass in der Planke und im Spant kein Gewinde sitzt, dann sollte das doch eigentlich funktionieren. Der Spax würde versenkt sitzen, wie ein Niet und dann verpfropft werden.

Bin gespant auf Eure Meinungen.

Klaus
potemkin

Re: Spax im Bootsbau: Pfusch oder nicht

Beitrag von potemkin » Di 19. Jul 2011, 20:40

auf größeren booten ist schrauben doch gang und gäbe. spax und co sind relativ spröde, sie brechen bei zu großer last, egal ob edelstahl oder verzinkte normalos. kupfer und auch eisennägel biegen und gehen bei bewegung mit, bis die abreißen muß schon eine ganze menge an verformung angesagt sein.
Matthias

Re: Spax im Bootsbau: Pfusch oder nicht

Beitrag von Matthias » Di 19. Jul 2011, 23:00

Hm, wenn ich nicht aus optischen Gründen einen Messing- oder Kupferkopf haben möchte, gern Edelstahl-Spax. Messingschrauben sind mir schon mehrfach beim Eindrehen abgeschert, Edelstahl-Spa noch nicht.

Gruß
Matthias (C690)
moturua
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Re: Spax im Bootsbau: Pfusch oder nicht

Beitrag von moturua » Mi 20. Jul 2011, 10:00

ich muss matthias beipflichten, messingschrauben sind mir auch schon einige abgeschert. im nichtsichtbaren bereich würde ich im bootsbau daher immer auf edelstahlschrauben (V4A) zurückgreifen. allerdings gibt es ja extra edelstahlholzschrauben, die ich bisher immer verwendet habe. mit spaxschrauben verbinde ich immer sperrholzplattenverlegen..........
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André bauer
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Re: Spax im Bootsbau: Pfusch oder nicht

Beitrag von André bauer » Mi 20. Jul 2011, 11:09

Hallo,
abgesehen von den spröden Materialeigenschaften von Edelstahl ist die Verbindung eines Niets wesentlich sicherer, Schraubenlöcher in Holz leiern bekanntlich gerne aus.
Ich habe schon viele Spax abgerissen, gerade in Edelstahl.
Zudem sind die A4-Qualitäten, die für Bootsbau genommen werden sollten, noch spröder als A2 und Edelstahl.
Generell hat Edelstahl unter Luftabschluss ein schlechtes Korrosionsverhalten.
Heißt ich habe in feuchten Bereichen mit verdeckt verbauten V4A-Schrauben immer ein schlechtes Gefühl.
Unter Deck am Balkweger ist nach der Bilge der feuchteste Bereich im Schiff, dort sammelt sich das Schwitzwasser.
Zudem halte ich die Verschraubungslänge Planke-Spant-Balkweger nicht für größer, als bei der Verschraubung Planke-Spant,
weil Spant und Balkweger zwei getrennte Bauteile sind und entsprechend Bewegung dazwischen sein kann.

Messingschrauben kann vielleicht nehmen, um einen Griff in der Pantry anzuschrauben,
strukturelle Verbindungen sollte man damit nicht machen.
Abgesehen davon, das Messing schlechtere Festigkeitswerte hat, verliert es den Zinkanteil.
Mit der Folge, das Schraubenköpfe gern auch mal nach Jahren von allein abfallen.
Die Zeitspanne hängt dabei von der elektrolytischen Kapazität der Materialien und der Feuchtigkeit im Holz ab.
Mit 10 Jahren kann für Messingschrauben in den meisten Fällen vielleicht dennoch gerechnet werden.
Ältere Schrauben haben da meist noch bessere Materialwerte als neue, gilt aber auch für Bronze.
Ich möchte auf jeden Fall nicht nach 10 oder auch 20 Jahren wieder alles aufmachen, weil die Verbindungen auf sind.
Wenn das Holz nicht solange durchhält, ist es entweder Pech oder Pflegefehler.

Grüße,
André
Gruß,
André

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Re: Spax im Bootsbau: Pfusch oder nicht

Beitrag von seebaer150 » Do 18. Aug 2011, 13:08

Die Sulfatierung bei Messingschrauben, die Andree angesprochen hat, zerstört tatsächlich die Festigkeit der Schraube. Bei meiner vierzig Jahre alten Louise , Xylon Tümmler 125 fand ich dennoch bei der Restaurierung vollkommen intakte Messingschrauben in knochentrockenen Bereichen zum Beispiel am Kimmstringer. Die Anwesenheit von Feuchtigkeit spielt also eine entscheidende Rolle.

Im Übrigen gibt mir die Schraubendiskussion zu denken. Was soll man denn nun nehmen. Wenn man Von der Linden und der West-System-Technik glaubt, liegt der Schwerpunkt der Festigkeitsbetrachtung bei modernen Holz-Kunstoff-Kompositkonstruktionen sowieso auf der Verklebung. Schrauben sind da mehr Mittel zum Zweck, um die Verklebungsposition zu fixieren.

Gruß seebaer 150
rw

Re: Spax im Bootsbau: Pfusch oder nicht

Beitrag von rw » Do 18. Aug 2011, 17:16

seebaer150 schrieb:
-------------------------------------------------------
> Schrauben sind da mehr
> Mittel zum Zweck, um die Verklebungsposition zu
> fixieren.
>

D'accord. Trotzdem die Frage: Hältst Du dabei Spax für einsatzbar? Ich habe leider keine Informationen über Vor- und Nachteile des Gewindes im Vergleich zu dem von "normalen" Holzschrauben. (Mit Ausnahme des In-der-Regel-nicht-vorbohren-Müssens.)

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Re: Spax im Bootsbau: Pfusch oder nicht

Beitrag von seebaer150 » Do 18. Aug 2011, 18:01

Das Problem bei Spax, die für formschlüssigen Halt in Spanplatten mit mäßig festem Verbund gemacht sind ist, dass in festem Holz verschraubt, die Streckgrenze des Materials leicht überschritten oder völlig ausgereizt wird, wenn man zu fest anzieht. Zieht man die Schrauben mit Gefühl fest, bleibt im Bereich der elastischen bis plastischen Verformung genug Luft, um die Festigkeit sicherzustellen. Ich benutze Edelstahlschrauben seit 20 Jahren. Die Typischen Holzschrauben aus Edelstahl sind zu bevorzugen, es sei denn, man arbeitet mit dünnem Holz.
Matthias

Re: Spax im Bootsbau: Pfusch oder nicht

Beitrag von Matthias » Do 18. Aug 2011, 23:05

André bauer schrieb:
-------------------------------------------------------
> ...>
> Messingschrauben kann vielleicht nehmen, um einen
> Griff in der Pantry anzuschrauben,
> strukturelle Verbindungen sollte man damit nicht
> machen.
> Abgesehen davon, das Messing schlechtere
> Festigkeitswerte hat, verliert es den Zinkanteil.
> Mit der Folge, das Schraubenköpfe gern auch mal
> nach Jahren von allein abfallen.
> Die Zeitspanne hängt dabei von der
> elektrolytischen Kapazität der Materialien und der
> Feuchtigkeit im Holz ab.
> ...> ...


Hallo Andre,
ich möchte das nicht so stehen lassen.
Mein Boot ist ein lärchenhölzerner geplankter Knickspanter, mit Messing verschraubt. Nicht vernietet.
Mein Boot ist knapp 50 Jahre. Vor 2 Jahren oder 3 habe ich, aufgeschreckt durch den Restaurierungsbericht einer Hansa-Jolle (wo der Aspirant das Ding komplett zerlegt hat, weil die Verschraubungen hin waren), willkürlich eine Handvoll Schrauben aus den Plank-Spant-Verbindungen herausgedreht. Die Dinger sahen alle fabrikneu aus, und so habe ich sie frohen Mutes wieder eingedreht (die Löcher waren nicht verleiert).
Ich denke, es kommt auf die Verhältnisse an (eher Salz-oder Süßwasser, eher Spanten aus juger oder alter Eiche, und was für eine Messing-Legierung.
meint Matthias (C690)

André bauer
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Re: Spax im Bootsbau: Pfusch oder nicht

Beitrag von André bauer » Fr 19. Aug 2011, 09:00

Moin Matthias,
wie schon vorher geschrieben wurde, ist der entscheidende Faktor die Feuchtigkeit.
Keine Feuchtigkeit, wenig Probleme, dennoch ist Bronze das bessere Schraubenmaterial.
Bronze von Messing zu unterscheiden wenn die Schrauben schon älter sind, ist auch nicht so ganz ohne.
Würde meine Hand nicht dafür hergeben, dass Deine Schrauben nicht Bronze sind.
Gruß,
André

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