Vorstagbolzen

potemkin

Re: Vorstagbolzen

Beitrag von potemkin » Do 3. Jan 2013, 08:54

hallo andre,
du hast m. m. im priziep recht. nur: wie alt sind die originalen bolzen? - sie haben ohne detailkenntnis geschätzt bestimmt 40 jahre ihren dienst versehen. wenn jetzt gleichwertig ersetzt würde: ist es ein mangel, wenn die folgende reparatur schon in 40 jahren fällig wird?
André bauer
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Re: Vorstagbolzen

Beitrag von André bauer » Do 3. Jan 2013, 13:15

Hallo,
1) Ich finde ja, wenn man etwas haltbarer machen kann als es original war, ohne dem Charakter des Bootes zu schaden, sollte man das auch tun.
Es schadet weder der Originalität des Bootes, weil völlig verdeckt noch dem Erhalt der Handwerkskunst.
Etwas Anderes wäre es z.B mit genieteten Planken, schrauben schadet dem Boot, weil die Verbindung nicht so fest ist und dem Handwerk.
2) Ist verzinkter Stahl in Wasser langlebiger als Edelstahl. Es ist ein Irrglaube, das V2A länger hält weil rostfrei draufsteht. Es ist eben nicht rostfrei, schon gar nicht in Seewasser.

Wir haben auf der Werft für von Seewasser durchflutete Rohre feuerverzinkten Stahl genommen.

Haben wir nicht schon genug Beispiele für verbastelte Boote, die irgendwann wegen solcher Fehler auf irgendeinem Friedhof landen?
Mein Schiff wurde auf Deck mit Polyester gezogen und die Plankenfugen wurden außen mit Silikon verschmiert.
Dummerwesise hielt beides nicht lang, Wasser drang unter das Polyester, weil die Kanten oben offen waren und Holz mit Polyester keine Verbindung eingeht.
Ich war verschossen genug, um das zu ignorieren.
Das Resultat ist ein totaler Neuaufbau bis zur allerletzten Schraube.

Darum regt mich Pfusch so auf.

Gruß,
André

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Re: Vorstagbolzen

Beitrag von Balkweger » Do 3. Jan 2013, 15:53


Hallo André,


ich kann verstehen, daß Pfusch Sie aufregt, geht mir ziemlich genauso.

Nur zu behaupten, Edelstahl sei nicht rostfrei, ist genauso eben Pfusch.
Die einfachen V2A Edelstähle, 1.4301, 1.4303 1.4307 etc sind natürlich nicht für Sewasser geeignet. Dennoch sind sie in Süßwasser rostfrei. Eine ordentliche Passivierung der Oberfläche vorrausgesetzt.
Die mit Molybdän legierten Sorten sind auch im Meerwasser rostfrei, solange auch hier die Oberflächen ausreichend passiviert sind. Und dann gibt es noch höher legierte Sorten, die auch unter extremen Bedigungen rostfrei sind.
Was die Schweißbarkeit z.B. von 1.4571 angeht, so ist diese Legierung unproblematisch zu verabeiten, denn durch die Zulegierung von Titan ist dieser Stahl kornzerfallsfest eingestellt, was eine Wärmebehandlung nach dem Schweißen unnötig macht.

Daß verzinkte Rohre, die nach der Verzinkung verschweißt, bzw eingeschweißt werden, rostfrei bleiben will mir nicht recht einleuchten. Zumal hier die Korrosion vom Stahl auf´s Zink verlagert wird, bis der Stahl freiliegt und der Rost wieder blüht. Daher ist die subjektiv gefärbte Behauptung verzinkter Stahl sei korrosionsfreier als Edelstahl sehr bedenklich. Das Einzige was richtig ist, ist die Tatsache, daß normaler Stahl eine höhere Beständigkeit gegenüber Schwingungsrisskorrosion hat, die hat aber nichts mit Salzwasser zu tuen, sondern nur mit der mech. Wiederstandsfähigkeit des Stahles gegenüber Schwingungen.

Ich denke das sollte reichen, als Empfehlung für den Vostagbolzen würde ich bei 1.4571 bleiben(bitte die geringe Dehngrenze des Edelstahls beachten), es sei denn absolute Authentizität ist gefordert, dann auch verzinkter Stahl.

Grüße

Jens
André bauer
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Re: Vorstagbolzen

Beitrag von André bauer » Do 3. Jan 2013, 23:28

Hallo Jens,
wo wir uns schon mit Vornamen ansprechen können wir uns auch duzen.
Das machen hier eigentlich alle, viele kennt man auch von Freundeskreisveranstaltungen.

Sicher sind Edelstähle unter den richtigen Bedingungen rostfrei.
Aber genau das ist ja auch schon eine Einschränkung, sie sind nicht generell frei davon.

In Süßwasser sind sie auch nur solange rostfrei, wie es keine schädlichen Chemikalien oder Ähnliches gibt.
Also müssten die Binnenseen überzogen gesagt alle Trinkwasserqualität haben...
Auch für Trinkwasserrohre und Großküchen gibt es aus gutem Grund Vorschriften.

Zur Wärmebehandlung:
Bei den bekannten Yachtwerften an der Weser werden alle Klüsen, Poller usw. in der Außenhaut mit einem Kranz aus 1.4571 von 100mm um das Bauteil in die Außenhaut eingesetzt.
Dennoch hatte man, als man noch keine Nachbehandlung der eingeschweißten und nur gebeizten Bleche gemacht hat, erhebliche Probleme mit Korrosion unter dem Epoxidspachtel.
1.4401 ist mit Stahl nicht gut schweißbar, daher 1.4571.
Die Klüsen werden mit einer Nut gebaut in die zur gespachtelten Außenhaut nochmal versiegelt wird.
Also hat die Feuchtigkeit / Korrosion den Epoxispachtel um 100mm unterwandert und ist wieder auf den Lack durchgeschlagen.
Bei durchschnittlich 20mm Spachtel.
Und das nach wenigen Jahren... denn ich rede hier nicht von der Carinthia VI aus den 70ern sondern vom Regelfall bei 3-4 Jahre alten Neubauten.

Die verzinkten Rohre werden als Kontrollrohre über dem Propeller oder als Aufnahme für Bootsfender in die Badeplattform eingeschweißt.
Da die Badeplattformen so flach sind gehen die Rohre durch den Boden durch.
Die Rohre sind somit einer ständigen turbulenten Strömung ausgesetzt und geben daher sozusagen im Zeitraffer die Normalbelastungen von Stahl an Holzyachten wieder.
Wie groß der Zeitraffer allerdings ist, läßt sich nur schwer einschätzen und ich würde einfach mal 2 schätzen.
Die Schweißnaht ist auch beim Edelstahl die problematische Stelle, wobei der Edelstahl beim Schweißen komplett durch gewärmt wird während die Zinkbeschichtung nur direkt an der Schweißnaht entfernt werden muß.
Sicher ist es so das die Korrosion erstmal den Zink frißt, daher verzinkt man Stahl ja.
Zinkspray hilft dagegen etwas.

Für die Bolzen empfiehlt sich meiner Meinung nach eher 1.4401 bzw. 1.4404, da mit der Potenzialspannung näher am Gusseisen und besser polierbar.
Bessere Polierbarkeit aufgrund von weniger Fehlern im Material, somit besser passivierbar.
Eine saubere Oberfläche ohne Poren (auch nicht poliert) ist weniger anfällig gegen Rißkorrosion.
Alle Decksbeschläge werden auf den großen Werften übrigens auch aus 1.4401 gemacht, aus genannten Gründen.
1.4571 bleibt poliert optisch deutlich hinter 1.4401 bzw. 4 zurück, ein klares Zeichen für Poren.
Bei den meisten Händlern bekommt jedoch Beschläge aus 1.4571 mit grausigen Schweißnähten.
Die vielen Artikel über Korrosion an Relingstützen und anderen Beschlägen wundern da nicht.
Die Streckgrenze liegt bei allen Sorten zwischen 195 und 225N/mm2, je nach Qualität und Charge.

Richtig ist, das es bei einem Edelstahlbolzen eine Nummer mehr im Durchmesser sein darf.

Stahl (St37) oder nach neuer Bezeichnung S235JR+AR (neue Ausgabe EN 10025-2:2004-10, früher S235JRG2, noch früher St 37-2 liegt mit einer Streckgrenze von durchschnittlich 235 N/mm2 etwas höher.
Dazu kommt die höhere Elastizität gegenüber Edelstählen.
Wobei man auch nicht sicher sein kann, welcher Stahl für die Bolzen vorher verwendet wurde.
Denn der im Schiffbau normale ST37 ist ja schon ziemlich hochwertig.
Früher wurde da sicher aus anderes Zeug verwendet.

So, ich denke jetzt haben wir alle genug verwirrt und jeder kann sich sein eigenes Bild machen.
Oder mich kontaktieren, helfe auch gern weiter.
Unter Umständen gegen Einwurf (ziemlich kleiner) Münzen.

Grüße,

André
Gruß,
André

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