Folkeboot 'Amanda', gebaut 1956 in Motala, Schweden

fg-1064
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Re: Folkeboot 'Amanda', gebaut 1956 in Motala, Schweden

Beitrag von fg-1064 » Di 22. Aug 2017, 14:05

Moin André,

ich muss mich hier mal einschalten:
Ein Folke hat nur ein Want je Seite, es sei denn, der Mast wird an Deck gefahren oder ist aus einem anderen Grund (besonderes Sicherheitsbedürfnis?) mit zwei Wanten je Seite abgefangen - was aber wirklich sehr selten ist.

Ein typisches Folkeproblem betrifft aber die Verschraubung der Püttinge mit den Spanten (die im Bereich der Püttinge wesentlich verstärkt sind). Viele Folkeboote haben in diesem Bereich deutlich verfärbte Planken. D.h. die von Euch oben beschriebene Lochleibung kann hier als Verursacher angenommen werden. Da aber die Konstruktion eines Folkebootes https://folkebootmuu.files.wordpress.co ... _riss1.jpg hier keine anderen Möglichkeiten lässt (zumindest, wenn man gelegentlich auch auf Regatten starten möchte), wäre ja mal interessant, wie die Theorie hier einen besseren Vorschlag machen würde!

Dennoch: es gibt meines Wissens kein einziges Folkeboot, bei dem der Mast von oben kam, weil die Püttinge nicht mehr gehalten haben. Der Mast kommt beim Folke aus ganz anderen Gründen...

VG,
Jan
André bauer
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Re: Folkeboot 'Amanda', gebaut 1956 in Motala, Schweden

Beitrag von André bauer » Di 22. Aug 2017, 20:26

Moin Jan und alle anderen,

dann sollte man vielleicht drüber nachdenken die Püttinge stärker zu machen.
Also z.b von 6 auf 8 mm.
Damit würde die Längung des Püttings im Bereich der ersten Schraube reduziert und die Kraft besser nach unten weiter verteilt.
Andererseits müsste im Pütting auch das Loch für den Wantenspanner Anzeichen von Lochleibung (Langloch) zeigen?
Wenn die Püttinge in parallel zu Mitte Schiff eingebaut sind, kann es zu Abhebekräften an den oberen Schrauben kommen. Dann kann die Schraube überlastet werden ohne das Lochleibung im Wantenspannerloch auftritt.
Ein stärkeres Pütting verhindert das.
Ist das Pütting in Spantebene mit Nieten am Spant fest passiert das nicht.
Quer hat das Pütting ein höheres Widerstandsmoment gegen die Biegekraft.
Siehe Skizze im Anhang.(sorry, ist sehr rudimentär weil mit den Fingern auf dem Tablet gemacht)
Abhebekräfte wie skizziert in Richtung des Wants reissen natürlich zuerst an der obersten Schraube, da sie eine vertikale und eine horizontale Komponente haben.

Zeigt das Pütting selbst keine Anzeichen von Lochleibung, ist der Spant trotz der Verstärkung vielleicht zu schwach.

Eine andere Möglichkeit ist die Befestigung der Püttingspanten mit Nieten und Schrauben abwechselnd.
Wie A&R das bei mir gemacht hat. Ich vermute, das ausgeleierte Loch bei mir kommt durch den insgesamt extrem schlechten Zustand der Struktur.
Alle Spanten waren gebrochen und mit geschraubten Schwesterspanten verstärkt.
Leider mit Maschinenschrauben und nur eine je Planke... Dazu das Deck (nur das) mit Glas-Polyester beschichtet damit darunter alles gut gammeln kann.
Ein Niet schafft einen höheren Anpressdruck zwischen Planken und Spanten und überträgt die Kräfte so besser über die Flächen statt über die Schrauben.

Erlaubt die Klassenvorschrift kein Pütting quer zum Schiff oder stärkeres Material, kann man höherfesten Stahl nehmen für ein neues Pütting.
Zumindest wenn man verzinkte Püttinge hat, bei Edelstahl ist A4-80 (1.4571 mit 800 N/mm2 Bruchgrenze) das Höchste, was man seewasserbeständig bekommt. Manchmal auch als A5 bezeichnet, korrekte chemische Bezeichnung ist X6CrNiMoTi 17-12-2.
Normaler Baustahl hat heute eine Bruchgrenze von 370 N/mm2, die Grenze zur plastischen Verformung liegt bei 235. Dazu kommt ein Sicherheitszuschlag von 0,65, so das mit 152 N/mm2 gerechnet werden darf.
Das sind über'n Daumen 15,2 kg.
Es gibt hochfeste Stähle bis deutlich über 1000 N/mm2 Bruchgrenze.
Wenn verzinkte Püttinge verbaut sind, würde ich annehmen das normaler Stahl verwendet wurde und einen etwas festeren mit ca 600 N/mm2 wählen.

Die dritte Variante ist tatsächlich ein zusätzliches Want zu riggen.
Das muss aber berechnet werden, damit an Mast und Rumpf nicht ein Angriffspunkt für Kräfte geschaffen wird, wo keiner sein darf. Der (zusätzliche?) Püttingspant müsste auch verstärkt sein.
Das fällt wohl aus wegen is nich. Die Kosten sind zu hoch und die Klassenvorschrift wird es nicht hergeben.

Die vierte Möglichkeit: den Püttingspant mit Epoxi einkleben. Das würde die Schrauben entlasten.
Wenn das Boot nicht komplett verklebt ist, hätte ich dabei aber Bauchschmerzen.
Mit Sika braucht man eine große Klebefuge, hat eine extreme Elastizität und erreicht genau das Gegenteil.
Es existiert kein Anpressdruck mehr und nur die Schrauben übertragen die Kräfte.

Nr. 5: Den Püttingspant schichtweise verleimen.
Lamellierte Teile sind höherfest als gebogene und bieten der Schraube/dem Niet durch den Kleber mehr Widerstand gegen Lochleibung.
Habe mal einen Mastfuß mit Bronze-Einlagen gesehen. Epoxi klebt auch mühelos Metall, wenn es entfettet und aufgerauht wird. Das kann die Bewegung des Niets auch verhindern. Verschraubt fällt dann aus.
Ist der Balkweger im Weg, kann man nicht nieten, zumindest nicht am fertigen Boot.
Lochleibung in der Planke muss im Boot verhindert werden. Sprich die Kraftverteilung zwischen Pütting und Spant muss verbessert werden.

Was die Klasse erlaubt, ist natürlich noch eine andere Sache.

Es kann auch an der Rumpfform liegen. Fällt der Spant am Pütting nach unten deutlich ein (wie auf Jan's Zeichnung) sind Abhebekräfte am Spant vorprogrammiert. Wenn das Pütting längs montiert ist.

Ich hab leider kein Folke hier in der Umgebung, mir ist in Bremen nicht mal eins bekannt.
Wenn das noch anders aussieht, stell doch mal bitte jemand Fotos ein.

Ohne Experimente oder Erfahrung mit Folkes in genau dem Bereich wird man kaum weiter kommen.
Es gibt zu viele Möglichkeiten und Fehlerquellen wie man sieht.

Grüße,
André
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Gruß,
André

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Re: Folkeboot 'Amanda', gebaut 1956 in Motala, Schweden

Beitrag von günni » Fr 25. Aug 2017, 22:03

Hej Andre,
Deine Skizze mit der Kraftannahme kann grafisch nach Fx,Fy und Fz aufgelöst werden und alles wird etwas übersichtlicher für einen nächsten Schritt.
Das Pütting liegt innen sichtbar auf dem Doppelspant und ist mit jenem und der Außenhaut innerhalb der Landungen verschraubt. Die Dimension des Wanteisens entspricht denen eines Rahtje-50er's und macht mir keinerlei Sorgen, nur Dedels M6 Schrauben!
Dessen Foto von der Einfahrt in die Schlei erinnert an meine 40 Kreuzschläge für die lächerliche Länge der Schleimünde-Mole in Richtung Osten. Vor Schönhagen dann der Gedanke, bei einem Schwerpunkt des Mastes ca. 2Meter unterhalb des Fockbeschlags die Formel für Reduktion der Masse auf einen zu bestimmenden Punkt wieder ins Arbeitsgedächtnis zu laden und dann E(kin) anzusetzen.
In der letzten Yacht (75 Jahre Folke...) war ein neues Boot skizziert, mit stark nach achtern getrimmtem Mast. Der Mastbeschlag der Fock befindet sich jetzt senkrecht über dem Pütting......!
Grüßchen, günni.
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Re: Folkeboot 'Amanda', gebaut 1956 in Motala, Schweden

Beitrag von André bauer » Sa 26. Aug 2017, 00:36

Moin. Günni,

wie ich auch schon geschrieben habe, die Kräfte haben horizontale und vertikale Komponenten, manchmal wie Du richtig schreibst auch noch eine dritte Dimension.

Mir is noch nich klar, ob bei der Sache der Spant arbeitet, weil der Spant und die Verbindung zur Außenhaut zu schwach sind oder weil durch das längsseits montierte Pütting Abhebekräfte zwischen Pütting und Spant entstehen und das deshalb die oberste Verbindung überlastet wird.
Wenn der Winkel zwischen Zugrichtung des Wants und Spantkopf deutlich größer ist als bei einem Rahtje 50er,
müssen auch das Pütting und der Spant entsprechend dimensioniert sein.
Schätze der Spant ist zu schwach. Auch weil das Pütting in eine deutlich andere Richtung zieht, als der Spantkopf zeigt.

Effektiv und wenig Aufwand wäre eine Verstärkung des Spants in Querrichtung, eventuell mit dem Pütting verschweißt, so das ein Winkel entsteht.
Schweißen würde allerdings den Ausbau des Püttings bedeuten.

Grüße,
André
Gruß,
André

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Re: Folkeboot 'Amanda', gebaut 1956 in Motala, Schweden

Beitrag von günni » Mo 28. Aug 2017, 22:05

Hej Andre,
die ganze Folke-Mastaufhängung ist recht zart, eigentlich gehören da noch Oberwanten und Backstagen hin um bei ruppigem Wetter heil anzukommen, und eventuell eine Kopie der 50er-Spanten plus eines massiven Decksbalkens.
Dedels kleiner Ausrutscher kommt mir jetzt wie eine Problemlösung vor, beidseitig des vorhandenen Püttings eine, mehrere Spanten übergreifende, waagerechte Armierung anpassen und im ausgebautem Zustand verschweißen. Die Konstruktion über die vorhandenen Nietlöcher mit Balkweger, Spanten und Außenhaut verschraubt als Kraftverteilung wirken lassen....... oder bei schlechtem Wetter generell ohne Boot ins Badeparadies ziehen!
Grüßchen, günni.
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Re: Folkeboot 'Amanda', gebaut 1956 in Motala, Schweden

Beitrag von bob57 » Di 29. Aug 2017, 11:00

Moin,

vielleicht hilft es ja weiter

bei meinem alten DDR-20er hat man folgendes gemacht

Von innen wurde ein quer über mehrere Spanten gehendes U-Eisen eingebogen und mit den Decksträgern verschraubt. Die oberen Schrauben der Püttings gehen durch den Spant und durch das U-Eisen

Warum man statt des U-Eisens keine Winkel genommen hat, weiß ich nicht; da der Jolli aber ohnehin irgendwie "zusammengestrickt" aussieht, nehme ich an, man hatte die U-Eisen einfach über.
Gruß vom
Bob

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Re: Folkeboot 'Amanda', gebaut 1956 in Motala, Schweden

Beitrag von André bauer » Mi 30. Aug 2017, 21:56

Moin,

kann man sicher machen, ist aber überdimensioniert.
Das Rigg reisst ja nicht reihenweise Püttinge aus den Folkedecks, so das zusätzliche Wanten nötig wären.
Der Schaden tritt über längere Zeiträume auf und nur sehr lokal, nämlich an der obersten Verbindung des Püttingspants.
Der Spant muss also dran gehindert werden die oberste Verbindung zu überlasten und die Bewegung (im Bereich von 1/10 mm) minimiert werden.
Die Kraft nach unten weiterleiten und den Spant verstärken gelingt am besten mit einem Flacheisen das in Spantebene vor den Spant geschraubt wird.
Ein Winkel oder Ähnliches längs unter Deck vor die Spanten geschraubt wird allein schon nicht möglich sein, weil die Spanten verschieden stark sind und noch dazu das Püttingeisen auf dem einen sitzt.
Entweder wird der Winkel seitlich vorn und achtern am Pütting verschweißt oder es muss um das Pütting drum rum verformt werden.
Was aber sehr genau sein müsste, damit nicht einzelne Schrauben in den angeschlossenen Spanten deutlich mehr Druck bekommen als andere.
Am besten wäre diese Konstruktion mit einem Flach, verformt über die Spanten und verschraubt, und einem zweiten Flach als Winkel unter Deck an das erste geheftet, zu lösen.
Ausbauen, voll verschweißen, verzinken und wieder einbauen.
Ich seh aber die Notwendigkeit dafür nicht, weil wie gesagt ja scheinbar nur Langzeitschaden, keine Schäden an neuen Booten.
Sonst hätte man die Konstruktion schon früher geändert, als noch Holzfolkes gebaut wurden.

Grüße,
André
Gruß,
André

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Re: Folkeboot 'Amanda', gebaut 1956 in Motala, Schweden

Beitrag von günni » Fr 1. Sep 2017, 20:47

Hej Andre,
langsam beginne ich die Geschichte zu begreifen. Beim Reinklatschen in die Folgewelle will der Mast einen meßbaren Augenblick weiterfliegen..... wird vom Want daran gehindert und reagiert mit Protest am Mastfuß (Auflager-Reaktion)..... und zwischen diesem und dem Pütting befindet sich als Abstandshalter die dreidimensionale,geklinkerte Außenhaut und zwei stärkere sowie etliche zierliche Spanten. Also ein Flitzbogen zum Mitleiden weil keine Verbindung zwischen Spanten und Bodenwrangen besteht und somit erste Planke oberhalb d.BW. die größte Belastung ertragen muß. Eine Tonne und Sinus 45° und alles mit E(kin)......!
Segeln kann auch unterm Sonnenhut erlebbar sein.
Grüßchen, günni.


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