Auseisen

kaengo2
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Auseisen

Beitrag von kaengo2 » Mi 22. Dez 2010, 13:10

Hallo!
Nachdem es viele Jahre kein Thema war, steht es nun wieder an.
Mein Schiff steckt fest im Eis der Schlei, welches schon satte 8cm stark ist.

Letzten Winter und in den Eiswintern vor 20 (?) Jahren habe ich das Schiff immer ausgeeist, alle 2-3 Tage.

Allerdings frage ich mich, ob der Aufwand notwendig ist?
Zwar hatte mir mal irgendwer gesagt, das Eis könnte das Schiff zerquetschen (bzw. mindestens zu Spantenbrüchen führen) aber so richtig will mir das nicht einleuchten.

Dehnt sich das Eis aus (weil es kälter wird) so müßte eigentlich auch die Öffnung, in welcher das Schiff sitzt, größer werden. (Wer das nicht direkt einsieht, denke z.B. an den Preßsitz von Welle-Nabe Verbindungen: Nabe wird warmgemacht, das Eisen dehnt sich aus, die Bohrung wird so groß, daß die Nabe sich auf die Welle aufsetzen läßt....)
Umgekehrt kann ich nicht glauben, daß irgendwelche Druckspannungen im Eis, welche daher rühren, daß das Eis ans Ufer stößt, bis zur Bordwand übertragen werden, dafür ist das Eis dann doch zu steif.

Andererseits könnte das Auseisen sogar kontraproduktiv sein:
Die Rinne zwischen Alteis und Schiff friert wieder zu, dabei dehnt das neue Eis sich aus, hat aber auf der einen Seite das Widerlager des Alteises, und drückt damit aufs Schiff.

Naja, so ist das, wenn man mit zuviel Theorie an die Sache geht ...;-)

Hat schon jemand Erfahrungen gemacht?
Maße des Schiffs sind 12mx3,80

Gruß!
kaengo2
Jan
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Re: Auseisen

Beitrag von Jan » Mi 22. Dez 2010, 16:09

Das Eis wird normalerweise nicht bis ganz an den Rumpf anfrieren, zwischen Eis und Boot bleibt eine dünne Wasserschicht. Das Eis müsste schon wirklich sehr stark werden um den Rumpf einzupressen.
Problematisch wird es nur bei stark fallenden oder steigenden Wasserständen wenn das Eis die Bewegungen nicht mitmacht und bei treibenden Schollen die an der Bordwand entlangschrapen.

Ich hab dieses Jahr auch das Boot das erste mal im Wasser gelassen, hatte bis vor kurzem noch auf "grüne Weihnachten" gehofft :)

Grüße
Jan
Joachim
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Re: Auseisen

Beitrag von Joachim » Mi 22. Dez 2010, 18:11

Poolnudeln (Schaumstoffröhren) auf eine Leine ziehen und eng an Schiff auf dem Wasser schwimmen lassen, soll einen entsprechen breiten Streifen am Zufrieren hindern, -habe es selber noch nicht ausprobiert, aber kann mir vorstellen, dass es funktioniert!

Joachim
kaengo2
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Re: Auseisen

Beitrag von kaengo2 » Mi 22. Dez 2010, 18:12

Hi Jan,

also bei mir ist das Eis schon an den Rumpf angefroren.
Was meinst Du mit ,sehr stark' ?
(Also hier fährt die Feuerwehr schon mal mit dem Unimog auf das Eis)

Die Frage ist ja, ob überhaupt ein Mechnismus existiert, der auf den Rumpf eine Presskraft ausübt.

Mit den Pegelschwankungen hast Du Recht, das wäre mithin ein Argument pro Auseisen.

Aber wenn ich Dich richtig verstehe, hast Du noch keine Erfahrung gemacht?

Gruß,
Holger

André bauer
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Re: Auseisen

Beitrag von André bauer » Mi 22. Dez 2010, 21:18

Hallo,
es sind auf Polreisen schon viele Schiffe im Eis verloren gegangen.
Das Eis dehnt sich aus und nicht die Öffnung im Eis um das Boot.
Zudem tut es das alle Richtungen, also auch in die des Bootes.
Das zur Theorie.
Styropor oder Schaumstoff ums Boot an einer Leine so befestigen, dass das Eis nicht unter die Teile gelangen kann.
Auf jeden Fall etwas was schwimmt und kein Wasser aufnimmt. (hygroskopische Materialien)
Der Unterschied zu Schrumpfpassungen, wo ein Teil angewärmt wird, liegt darin, das meist zwei verschiedene Materialien mit unterschiedlichen Wärmeausdehnungen verwendet werden.
Darum lassen sich die Teile nach dem Erkalten nicht trennen.
Werden zwei Teile mit ähnlicher Wärmeausdehnung verwendet, wird ein Teil gekühlt und das Andere erwärmt.
Selbstverständlich bildet sich mit zunehmender Frostdauer und Eisdicke eine Kraft auf den Rumpf, da gefrierendes Wasser sich an der Eiskante absetzt und das Loch so langsam kleiner wird.
Langsam eben, weil Holz ein verdammt guter Isolator ist und der Innenraum im Schiff damit relativ warm bleibt.
Bei großer Eisdicke hilft auch keine Schaumstoffrolle, weil sich das unter den Rollen am Rumpf ansetzt.
Das Wasser in Bewegung halten mit Luftblasen aus einem Kompressor ist eine gängige Methode, in Berlin und Oldenburg schon gesehen.
Oder eben dicke Styroporklötze mit Ballast versehen, dass die gerade so an der Wasseroberfläche bleiben.
Damit kann das Eis so dick werden, wie das Styropor.
Abstände zwischen den Klötzen klein halten, damit wenig Eis Kontakt zum Rumpf bekommt.

Gruß,
André
Gruß,
André

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tomy
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Re: Auseisen

Beitrag von tomy » Mi 22. Dez 2010, 22:08

Gruß von der warmen Ruhr,
in dem sehr kalten Winter 96/97 hatten wir z.Bsp. rund um unseren 33 Tonnen Segelkutter aus 2 Zoll Eiche etwa 25 Zentimeter Eis hier auf der Ruhr in Mülheim.
Die alten Schiffer haben uns damals geraten, das Eis früh genug vor irgendeinem ersten Befahren des Fahrwassers aufzusägen und die Öffnung rund um das Schiff mit Strohballen auszustopfen, damit bei Befahren des Eises keine Pressungen auf den Rumpf auftreten.
Das haben wir getan- mit grossem Erfolg. Der Hinterlieger, ein 20 Tonnen Eichenmotorkutter, ist durch Pressung und leckgesprungene Planke auf Grund gegangen- wir nicht.
Auch konnte man deutlich feststellen, dass das Holz wesentlich weniger arbeitete, als rundherum der Kraftschluss mit dem Eis behoben war.
Good luck!
Gruß und schöne Weihnacht
Thomas
Jan
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Re: Auseisen

Beitrag von Jan » Mi 22. Dez 2010, 23:25

kaengo2 schrieb:
-------------------------------------------------------
> Hi Jan,
>
> also bei mir ist das Eis schon an den Rumpf
> angefroren.
> Was meinst Du mit ,sehr stark' ?
> (Also hier fährt die Feuerwehr schon mal mit dem
> Unimog auf das Eis)
>
> Die Frage ist ja, ob überhaupt ein Mechnismus
> existiert, der auf den Rumpf eine Presskraft
> ausübt.
>
> Mit den Pegelschwankungen hast Du Recht, das wäre
> mithin ein Argument pro Auseisen.
>
> Aber wenn ich Dich richtig verstehe, hast Du noch
> keine Erfahrung gemacht?
>
> Gruß,
> Holger
>
>


Hallo Holger,
Erfahrung mit Eis konnte ich letztes Jahr ausreichend machen, allerdings nicht mit meinem eigenen Boot, und da war es so wie beschrieben, das Boot war bis auf einen schmalen Streifen am Rumpf komplett eingefroren.
Die Argumente mit den Polreisen sind ja nun nicht unbedingt auf unsere Breiten anzuwenden. Solche Eisdicken, 1,5m, werden wir hier wohl kaum erreichen.
Ich kann mir auch nicht vorstellen wo die Presskraft am Rumpf herkommen soll wenn das Eis sich nicht bewegt und das Boot schwimmt.

Grüße Jan
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Re: Auseisen

Beitrag von fg-1064 » Mi 22. Dez 2010, 23:31

Moin zusammen!

Wenn es um eine eisfreie Zone rund um das im Wasser liegende Schiff geht, hat es sich in tiefen Häfen (minimum 3m) als sehr effektiv erwiesen, unter das Schiff eine Tauchpumpe zu hängen, die das wärmere Wasser am Grund von unten über zwei Schläuche gegen das Schiff pumpt. Dieser Strom (der je nach Außentemperatur) per Zeitschaltuhr geregelt werden kann, hat unsere Tjalk früher - auch in den Eiswintern Anfang der 80iger - sicher eisfrei gehalten.

Alternativ kann, z.B. bei zu wenig Tiefe, auch ein Rohrsystem rund um das Schiff verlegt werden, über welches Luft ins Wasser eingegeben wird. Die dadurch stetige Bewegung im Wasser (Luftblasen) verhindert ebenfalls zuverlässig das einfrieren.

Beide Systeme werden von Marinas eingesetzt, die ihre Stege im Wasser liegen lassen (müssen), um einen eisbedingten Verlust derselben zu verhindern. Es lohnt sich, nach solchen Häfen zu suchen, weil damit das Überwintern im Wasser relativ unproblematisch erfolgen kann...

Die anderen Systeme - ob Stroh oder Styropur - haben in der Vergangenheit auch schon zu Totalverlusten geführt... sie funktionieren nur, wenn häufig nach ihnen geschaut wird. Das gilt natürlich auch für die eingangs geschilderten. Wer sein Schiff im Wasser liegen lässt sollte unbedingt in der Nähe wohnen oder einen zuverlässigen "Beobachter" haben, der alle Paar Tage nach dem Schiff schauen kann. Ein wochenlanges Sichselbstüberlassen kann hier sehr teuer sein. Und: nicht jede Versicherung kommt für Schäden bei Eisgang auf! Eine Bergung kann im Zweifel ein nachhaltiges Loch in die Bordkasse reißen...

Übrigens: nicht nur von außen ist ein einfrieren gefährlich. Auch im Innern sollten Frostwächter eingesetzt werden, weil ein aufgefrorenes Ventil (ist wirklich schon vorgekommen!) ebenfalls einen Verlust des Schiffes verursachen kann...

Grüße!
Jan
André bauer
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Re: Auseisen

Beitrag von André bauer » Do 23. Dez 2010, 08:46

Moin,
sicher haben wir nicht die gleichen Bedingungen, wie an den Polen, habe auch vorher nicht von Schiffen gehört, die hier verloren gegangen sind, daher das Beispiel.
Die Bewegung des Eises an den Polen ist ja nur ein Faktor, warum Schiffe im Eis verloren gehen.
Da hilft auch aufmerksames Lesen der Beiträge...
Das Loch im Eis friert einfach zu, entweder hat das Schiff eine demtentsprechende spezielle Rumpfform und Festigkeit,
wie z.B. die Schiffe, die für Polarrreisen gebaut sind oder es wird im Eis mehr oder weniger Schaden nehmen.
Ein Spantbruch oder ähnliches reicht ja schon.
Im Endeffekt macht das Überwintern des Schiffes im Eis mit dem ganzen Aufwand und Risiko für mich keinen Sinn.

Gruß,
André
Gruß,
André

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Re: Auseisen

Beitrag von kaengo2 » Do 23. Dez 2010, 10:13

@Andre Bauer

Also auch wenn sich das Eis in alle Richtungen ausdehnt, wird die Öffnung in der Mitte größer! Das ist sicher für den Laien nicht sofort einsichtig (Der mathematische Nachweis erfolgt über sog. Deformationstensoren), daher mein Beispiel mit der Welle-Nabe-Verbindung.

Tatsächlich hat unser Hafen auch so eine Sprudelanlage, der Hafenmeister ist allerdings nur schwer zu überzeugen, daß die auch für die Schiffe ganz gut wäre, und nicht nur für seine alten Poller, aber ich denke ich werde mal einen neuen Anlauf starten!

Die Nudeln bringen garantiert nichts, wie gesagt ich habe durchaus schon lange Erfahrung,
die sind viel zu dünn. Die Idee mit den Strohballen erscheint mir bedenkenswert. (Ich habe selber schon mal mit Weihnachtsäumen, rundherum ums Schiff am Strunk aufgehängt, experimentiert).

Bei uns im Hafen liegen auch einige Holzschiffe im Eis, deren Besitzer überhaupt nichts unternehmen. ich bin der Einzige, der bisher regelmäßig auseist, und ich denke, insbesondere tomys Beitrag bewirkt, daß ich das auch weiter machen werden.....;-(

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